Leseratte

Still und heimlich, im Rahmen einer kleinen Einweihungsfeier mit nur 200 Gästen hat Mitte Juni die neue Hauptbibliothek neben der Oper eröffnet. Still und heimelig wirkt die Bibliothek in den ersten Wochen nach der Eröffnung allerdings nicht. Von der Innenstadt bzw. dem Bahnhof kommend ist das Gebäude nicht zu übersehen. Es verdeckt den dahinterliegenden „Barcode“ (eine Reihe Bürogebäude), lässt aber freie Sicht auf die Oper. Im Hintergrund ist auch ein Teil des Munch-Museums zu sehen, welches im Herbst eröffnen soll. Wenn man sich der Bibliothek und ihrem Eingang nähert, wirkt das Gebäude riesig. Im Inneren fühlt man sich jedoch nicht verloren, da es viele verschieden gestaltete Etagen und Raumecken gibt. So kann man es sich je nach Einrichtungsgeschmack auf Sofa, Hocker, Holzstuhl oder Sitzsack gemütlich machen. Steckdosen und USB-Anschlüsse an jedem Tisch sind selbstverständlich vorhanden. Es gibt eine Ecke mit Nähmaschinen und 3D-Druckern, eine mit elektronischen Musikinstrumenten und auch Werkzeug kann man sich in der Bibliothek ausleihen. Durch wenige geschlossene Räume, einem Café im Eingang, einem kleinen Kino und den Rolltreppen mitten im Gebäude ist es sehr lebendig. Ach ja, Bücher, CDs und DVDs gibt es auch noch, insgesamt 450,000. Damit wird die Bibliothek dem eigenen Anspruch, ein Haus voll Bücher, Energie und Menschen zu sein gerecht. Die Kehrseite des offenen Gebäudes und der vielen Möglichkeiten ist, dass die Bibliothek bei zu vielen Besuchern – und hier hat jeder seine individuelle Grenze, was zu viel ist; bei mir liegt diese Grenze sehr tief – wie ein Einkaufszentrum wirkt. Das ist sicherlich auch den Touristen und Neugierigen geschuldet, die sich gern umschauen, aber an Büchern nicht im Geringsten interessiert sind. Der Lautstärkepegel ist ebenfalls vergleichbar mit einem Einkaufszentrum. Beim Herumschlendern entlang der Bücherregale habe ich mich so eher von der Flucht vor Menschen als von den Themen der Bücher leiten lassen. Obwohl oder gerade weil es so viele Bücher gibt, die sich aber im Raum und den ganzen anderen Möglichkeiten verlieren, fand ich es sehr schwer zu Stöbern und Schmökern. Wer einen stillen Rückzugsort zum Lernen oder Lesen sucht, sollte sich entweder einen Raum buchen oder doch wieder in die guten alten Universitätsbibliotheken gehen.


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