Reisefrust

Frei nach Goethe reist man nicht, um anzukommen, sondern um zu reisen. Das habe ich bei meinen letzten beiden Reisen zwangsläufig berücksichtigt. Doch ob Goethes Satz so zu interpretieren war?! Und ob das Reisen zu Goethes Zeiten auch so anstrengend war?!

Der fleißige Leser wird bemerkt haben, dass im Dezember erstmalig seit Beginn des Blogs kein monatlich neuer Eintrag vorhanden war. Noch nicht einmal für einen kurzen Weihnachtsgruß hat es gereicht. Grund dafür waren äußerst aufwendige Reisevorbereitungen. Normalerweise sollte eine Reise ins Geburtsland nicht aufwendig sein: man kennt sich aus, man kann die Sprache, man versteht die Kultur usw. Doch was war in im letzten Jahr schon normal? Folglich musste unsere Weihnachtsreise gut geplant werden, soweit sie sich den planen ließ. Die gesamte Reise war mit Unsicherheit bis zur letzten Minute – also bis wir unsere Wohnung in Oslo am 2. Januar wieder betraten – belastet. Doch der Reihe nach:

Bereits im Herbst hatten wir, um möglichst unabhängig zu sein, ein Auto bei einem großen europaweiten Autoverleih gebucht. Im Gegensatz zu vielen anderen Autovermietern war es hier möglich ohne Verdopplung des Preises ins nicht-skandinavische Ausland – sprich Deutschland – zu fahren. Aufgrund der undurchsichtigen Corona-Situation vor Weihnachten ließen wir uns noch einmal per Email bestätigen, dass dies weiterhin gilt und es, solange wir das Auto innerhalb der vereinbaren Mietdauer wiederbringen, keine Probleme gibt. Problematischer erschien mir ein Corona-PCR-Testergebnis zu bekommen, das bei Einreise in das Land Brandenburg nicht älter als 48 Stunden ist. Bei 15 Stunden Fahrzeit über den Land- und Brückenweg ist das Reisefenster sehr eng gesteckt. Die unverbindlichen Zeitangaben der privaten Kliniken zu der Auswertungsdauer eines Tests (zwischen 1-3 Tagen) machten es nicht besser. Nach mehreren Telefonaten mit einer Privatklinik buchten wir für Donnerstagmittag einen „Drop-In Termin mit dem Fahrrad“. Etwas enttäuschend war, dass man nicht mit dem Fahrrad in die Garage fahren und darauf sitzenbleiben konnte, sondern wie ein „Drop-In Fußgänger“ behandelt wurde. Spaß beiseite, der Termin hat gut geklappt. Spannender war das Warten auf (das Ergebnis am) Freitag, da wir in der Nacht zu Samstag losfahren wollten. Zumindest hatten wir uns mit diesen Daten beim Gesundheitsamt in Deutschland vorschriftsgemäß angemeldet. Um fünf Uhr nachmittags war ich überzeugt, dass das Testergebnis nicht vor Montag bereitsteht. Warum sollte Freitagabends noch gearbeitet werden? Den Versuch eines Anrufs bei der Privatklinik ließ ich mir trotzdem nicht nehmen. Entgegen meiner Erwartung hob jemand am anderen Ende der Leitung ab und ließ mich wissen, dass freitags bis um 9 Uhr und sogar am Wochenende an der Auswertung der Tests gearbeitet werden würde. Und tatsächlich bekamen wir unser (natürlich negatives,d.h. für uns positives) Ergebnis drei Stunden später.

In der Zwischenzeit gab es genügend Ablenkung: Beim Abholen wollte der Autovermieter uns das Auto nicht zu den vereinbarten Bedingungen geben mit der Begründung, dass das Auto sieben Tage in Quarantäne müsse nachdem wir es abstellen („da kann ja dann niemand rein“) und dass wir die Corona-Regeln brechen würden, wenn wir das Auto abstellen und nach Hause laufen anstatt uns direkt in unsere Wohnung zu begeben („das Auto müsste dann schon ein anderer in die Garage stellen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen“). Man stelle sich unsere Gesichter vor. Nach einigem Hin und Her bekamen wir die Schlüssel ausgehändigt unter der Bedingung, dass wir vier von den sieben Tagen „Autoquarantäne“ zusätzlich bezahlen. Die anderen drei Tage würde der Autoverleih aus Kulanz selbst übernehmen. Ich habe dies direkt zum Anlass genommen mich auf Mittagspausenspaziergänge zur öffentlich zugänglichen Garage des Autoverleihs zu freuen, um zu prüfen, ob das Auto nicht angerührt wurde. Doch daraus wurde nichts. Zwei Stunden später erhielt ich die Nachricht, dass die Geschäftsführung des Autoverleihs entschieden hat, dass wir das Auto wie im Herbst gebucht abgeben und bezahlen dürfen. Na dann, frohe Weihnachten!

Ab diesem Punkt lief unsere Reise nach Deutschland erstaunlich geschmeidig: keine Grenzkontrollen, kein Vorweisen des negativen Testergebnisses, kein Stau und endlich Vorfreude auf Weihnachten. Doch eine Reise ist erst beendet, wenn der Reisende wieder Zuhause ist, oder? Leider musste wegen der Nachrichten über das mutierte Virus unsere Rückreise sehr flexibel gestalten werden. Die bisher so lockeren Schweden hatten nämlich von einem auf den anderen Tag die Grenze zu Dänemark geschlossen. Damit blieben uns als Rückreiseoptionen noch Deutschland-Dänemark-Fähre-Norwegen oder Deutschland-Fähre-Schweden-Norwegen. Und natürlich Deutschland-Polen-Litauen-Lettland-Estland-Russland-Finnland-Norwegen. Letzteres kam mit seinen 5287 km, 64 Tagen Fahrzeit und Visa-Anforderungen für Russland nur bedingt in Frage. Wir entschieden uns für die Fähre von Deutschland nach Schweden und saßen über – noch nicht ganz auf – heißen Kohlen. Glücklicherweise wurden in der Zeit keine weiteren Grenzschließungen beschlossen. Da uns der Corona-Test so viel Spaß gemacht hatte, durften wir bei der Einreise nach Norwegen nochmal das Stäbchen in Hals und Nase gesteckt bekommen. Wir reisten 10 Stunden nachdem diese neue Corona-Regel der norwegischen Regierung in Kraft trat ein. Auf die paar Stunden Warten an der Grenze, um sich dann doch selbst um einen Testtermin in Oslo kümmern zu müssen, kam es da schon lange nicht mehr an.

Ob Goethe dieser Reisebericht wohl gefallen hätte?! Trotz allem hat sich die Reise natürlich gelohnt; insbesondere, wenn man die aktuellen Entwicklungen in Betracht zieht. Ich bin gespannt, wann unsere nächste (Auslands-)Reise stattfinden und ob diese wieder mehr dem eigentlichen Sinn von Goethes Aussage entsprechen wird.

Wer noch Zeit und Muße hat, dem möchte ich nun gern von unserer kleinen Inlands-Reise am Wochenende berichten. Derzeit kursiert die Frage „Welches Quarantierchen bist du?“ im Internet. Ich erkenne mich am ehesten in einer Mischung aus Lesel, Entspanda, Kochtopus und Gympanse wieder, hoffe aber, auch bald eine Skiraffe werden zu können. Da eisige und überfüllte Loipen nicht das präferierte Gebiet einer Enspanda-Skiraffe ist,wurde ein Tagesausflug 50 km nördlich von Oslo geplant. Die Erfahrungen mit dem großen Autoverleih, der Gedanke an die Umwelt und die kurze Strecke ließen mich einen E-Golf buchen. Wie sich zeigen sollte, war das ein Fehler und aus der Entspanda-Skiraffe entwickelte sich ein Mammwut-Eishörnchen. Über dreckige Mietautos kann man in Trainingsklamotten und mit Skiern im Gepäck hinwegsehen. Selbst die Anzeigen „Wischwasser muss nachgefüllt werden“, „Schlüsselbatterie muss getauscht werden“ und „Service in 1000 km“ können für eine so kurze Strecke und unter so viel Vorfreude auf eine schönen Skitour ignoriert werden. Doch wenn das Auto beim Abholen am Morgen nur ganze 30 km weit kommt – bei einer Reichweite von 180-220 km laut Werksangaben –, lässt das die Laune sehr schnell sinken. Trotzdem, man möchte sich den Tag ja nicht direkt vermiesen lassen und fährt zur nächsten Ladestation. Normalerweise braucht ein Schnelllader 25 Minuten, um die komplette Autobatterie aufzuladen. Damit käme man locker hin und zurück, und da man extra früh aufgestanden ist, sollte man auch bei einem 25 Minuten späteren Skitour-Start noch genügend Sonne abbekommen. Das Auto gönnte uns die Sonne nicht: Nach 45 Minuten bei -15 Grad zeigte es eine Reichweite von 75 km an, wenn man ohne Radio, Heizung, Licht und maximal 70 km/h fährt. Das reicht ja zumindest für den Hinweg, der äußerst kalt wurde. Nach weiteren 35 km Fahrt stellte sich jedoch heraus, dass es keinen Schnelllader in der Nähe gab, sondern lediglich einen normalen Lader. Immerhin befindet sich dieser in der Nähe einer Loipe, auch wenn diese nicht frisch präpariert war. Somit änderten wir unsere Pläne und kamen verfroren an der Loipe an. Nach 1 km auf eisiger Loipe mit vielen Tannenzapfen und herausschauender Erde gaben wir, unsere Hände und Füße nicht mehr spürend, die Ski-Pläne für diesen Tag auf. Zurück am Auto die nächste Überraschung: Wir bekamen das Ladekabel nicht mehr los, da der Schlüssel zum öffnen des „Tankdeckels“ (oder wie man das bei E-Autos nennt) nicht mehr funktionierte. Der aufmerksame Leser erinnert sich an die ignorierte Anzeige. Immerhin reichte ein Anruf bei der Servicehotline, und das Auto war offen. Der Servicemitarbeiter fragte mich allen Ernstes, ob wir nicht schon gestern telefoniert hätten. Das Problem mit dem Auto war also schon bekannt! Er meinte, wir könnten unsere Tour wie geplant fortsetzen, müssten ihn nur anrufen, wenn wir das Auto aufgeschlossen haben wollen. Daraufhin habe ich ihm von unseren bisherigen Erlebnissen mit dem Auto erzählt. Wir haben aufgegeben und sind nach Oslo zurückgefahren. Diesmal konnten wir sogar die Heizung anmachen.

Warum wird einem das Auto-Sharing - im besten Fall mit einem E-Auto - so schwer gemacht?! Ein paar andere Autovermieter gibt es ja noch zum Ausprobieren. Denn ein eigenes Auto kann auch eine Last sein; natürlich mit Ausnahme von meinem alten gelben Flitzer, den ich 2015 in der Nachbarschaft verkauft habe. Der fährt und fährt und…

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Normalität

Um das Wort „Normalität“ kommt man dieser Tage kaum herum: „zurück zur Normalität“, „die neue Normalität“, „Sehnsucht nach Normalität“. Normalität bezeichnet etwas Selbstverständliches, das keine Erklärung oder Entscheidung mehr bedarf, und wird meist als etwas Positives wahrgenommen. Im Fall von Corona stimme ich zu, dass Normalität sehr wünschenswert ist. Woran jedoch niemand denkt, ist, dass Normalität das Schreiben von Blogeinträgen erschwert, und dass die nicht-normalen Umstände ihren Teil zur meiner Normalität beitragen. Mitten in einer unnormalen Zeit werden die Erlebnisse in Norwegen für mich umso normaler. Der letzte Deutschlandbesuch liegt knapp ein Jahr zurück. Wenn ich an Deutschland denke, denke ich an einige Wanderungen und Fahrradtouren. Und natürlich an die Familie. Doch alles andere, was mir noch vor einem Jahr so „normal“ in Deutschland vorkam, würde jetzt vermutlich Erstaunen auslösen. Ich werde davon berichte, wenn ich denn die Gelegenheit bekomme. Norwegen ist meine neue Normalität. Ungewohnte oder fehlende Produkte im Supermarkt gibt es nicht mehr, ob nun Deutsch, Norwegisch oder Englisch gesprochen wird, ist in den meisten Fällen gehüpft wie gesprungen - es kommt sowieso Kauderwelsch heraus -, und Wetter und Skifahren ist eine meiner Lieblingsgesprächsthemen geworden. Aus vergangenen Fehlern, wie zum Beispiel der Julebrus (siehe Blogeintrag „Schatten und Licht“ aus dem Dezember 2018) habe ich gelernt. Rotkohl, der nicht mit merkwürdigen Gewürzen veredelt ist, kann man wunderbar selbst kochen. Dafür findet man sogar eingefrorenes pures Schweinefett (die weiß-blaue Rolle). Zugegeben, die Klöße waren noch Importware aus Deutschland. Und die Nelken. Und das Lorbeerblatt

Mittlerweile habe ich meine ersten Erfahrungen mit dem norwegischen Gesundheitssystem gesammelt. Leider bin ich am Ende unseres Sommerurlaubes vom Rad gefallen. Neben einigen Kratzern und blauen Flecken wollte das Loch im Knie nicht aufhören zu bluten. Für solche akuten Fälle an einem Sonntag muss man zur „legevakt“. Die „legevakt“ ist offen, wenn Allgemeinmediziner geschlossen haben und befindet sich meist im gleichen Gebäude wie das Krankenhaus. Besonders schlimm kann es mit meinem Knie aber nicht gewesen sein, da ich mir – während mein Mann das Auto holte –den Bauch mit den um meine Unfallstelle herum wachsenden Blaubeeren vollschlug. Mir fiel noch rechtzeitig vor Betreten der „legevakt“ ein den blau-roten Mund zu säubern. Sonst wäre ich vielleicht noch schneller an die Reihe gekommen. So teilte ich der Anmeldestelle mein Problem und meine Personennummer mit und zog einen Zettel wie früher beim Fleischer, wenn der Vergleich auch etwas makaber scheint. Während man in Oslo die schlimmsten Wartezeiten befürchtet, ging es auf dem Land erstaunlich schnell. Nach nur fünf Minuten Warten wurde die Wunde von der Krankenschwester gesäubert und vom schwedisch sprechenden Arzt genäht. Danach musste ich nochmal ein paar Minuten warten bis der Bezahlautomat bereit war meine Geldkarte zu verschlingen. Aus Erzählungen und Kommentaren von Auswanderern in den sozialen Medien bereitete ich mich auf eine große Summe vor. Rund 17 Euro hat der Nicht-Spaß gekostet; davon machte der Faden ca. 50 Cent aus. Gern hätte ich etwas mehr für einen selbst auflösenden Faden bezahlt, um mir mein eigenes chirurgisches Geschick 10 Tage später zu ersparen. Die Vorsorgeuntersuchung beim Zahnarzt einige Wochen später kamen den Beschreibungen mit 120 Euro schon näher. Dafür kann der Zahnarzt den Stuhl mit einem Iphone-ähnlichen Gerät steuern und das Röntgenbild wird auf einem eigenen Bildschirm neben den Behandlungsstuhl angezeigt. Ja, hier werden bei der Vorsorgeuntersuchung Röntgenbilder gemacht, um Karius und Baktus zu finden. Bei mir ohne Erfolg, so dass die Freude über ein „du brauchst erst in anderthalb Jahren wiederkommen“ größer war als der Betrag, der von der Karten abgebucht wurde.

Nur an die Fußballberichtserstattung werde ich mich nie gewöhnen:

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Rückblick

Die in schnellen Schritten heraneilende dunkle Jahreszeit lädt zu einem träumerischen Rückblick auf den Sommer ein. Der Sommer fing vielversprechend an. Schon im Juni konnten wir im Fjord und in den Seen baden gehen. Und auch im August war es mit um die 25 Grad sehr angenehm. Allerdings hätten wir besonders in unserem Urlaubsmonat Juli gut und gern ein bisschen Regen ins staubige Deutschland schicken können. Vor zwei Jahren sind wir auf den Lofoten so richtig durchnässt worden (siehe Blogeintrag „Lofoten“ vom September 2018), während im südlichen Norwegen super Wetter war. Wie ich neulich durch ein Missverständnis lernen musste, bezeichnet „Südnorwegen“ übrigens die Gegend zwischen Oslo und Trondheim, und nicht nur die südliche Küste Norwegens; dabei liegt Trondheim von Oslo aus gesehen schon ganz schön weit nördlich. Dieses Mal war das Wetter beinahe umgekehrt. Wir sind bei durchwachsenem Wetter in den Fjorden herum getingelt, während uns aus dem Radio die freudige Nachricht von Wärme und Sonne in Nordnorwegen verfolgte. Doch gern berichte ich trotzdem davon: Zuerst waren wir im Reinheimen-Nationalpark mit dem Zelt unterwegs, ein Winterurlaubstag inklusive: Wir mussten einen etwas höheren Pass (1500m) im Schneetreiben überqueren. Die Erleichterung war groß als wir auf der anderen Seite herunterkamen und etwas Grün sahen. Insgesamt war es auch im Grünen recht kühl, aber der Körper stellt sich erstaunlich schnell um, so dass beim Wandern selbst auch ein T-Shirt genügt hat. Abends mussten wir uns dann in den eiskalten (Gletscher-)flüssen waschen; das hat etwas Überwindung gekostet. Danach haben wir uns ein paar Tage in unserer Lieblingsregion Møre og Romsdal ausgeruht, das heißt Tageswanderungen unternommen. Während der Schnee im Reinheimen und bergauf eine ganzschöne Herausforderung für die Kondition ist, macht er bergrunter umso mehr Spaß (Stichwort Poporutschen). Die zweite Mehrtagestour mit Zelt begann mit zwei Tagen Dauerregen, bei dem sogar die Sachen im Rucksack nass geworden sind. Doch die darauffolgenden drei Tage Sonnenschein ließen uns die Strapazen zuvor schnell vergessen. Abgerundet wurde der Urlaub mit Mountainbiken an der schwedischen Grenze. Dazu im nächsten Blogeintrag mehr.Nach dem Urlaub hatte ich einige Umstellungsschwierigkeiten. In den ersten Nächten Zuhause bin ich regelmäßig aufgewacht und dachte, ich läge draußen in den Bergen im Schlafsack. Die Lichtstreifen, die von draußen ins Schlafzimmer drangen, interpretierte ich als Schneefelder in der Ferne. Es dauerte einige Minuten bis ich verstanden habe, dass das nicht sein kann. Und noch ein paar Minuten bis ich verstanden habe, wo ich eigentlich bin. Ein bisschen Kultur rundete unseren Urlaub ab. In Jevnaker, ca. eine Stunde Autofahrt von Oslo entfernt, hat das Kistefos-Museum im letzten Jahr eröffnet. Es hat uns aufgrund der vielen unterschiedlichen Themen Papierfabrik, Kunst und Installationen sowie dem Einklang mit der Natur drum herum sehr gut gefallen. Die schönsten Bilder aus diesem Urlaub gibt es hier.

Aus aktuellem Anlass wurde ein geplanter Urlaub in Deutschland zu einem Notfallurlaub in Norwegen. Zumindest gab es als Entschädigung gutes Wetter, tolle Wanderungen und bunte Herbstfarben. Die schönsten Bilder aus der gleichen Region wie im Sommer gibt es hier zu sehen.

Wer mich kennt, weiß, dass ich nun ungeduldig auf den ersten Schnee warte. Neue, bequemere Skischuhe sind gekauft und die Ski werden nächste Woche zur „Grundpräparierung“ gebracht.

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Die Frau und das Meer

Der vorherige Blockeintrag wirkt inspirierend für die Überschrift des heutigen Eintrages. Ernst Hemingways Novelle „Der alte Mann und das Meer“ (1952) handelt von einem alten Fischer, der nach vielen erfolglosen Versuchen endlich einen riesigen Fisch an der Angel hat und diesen bis zur Erschöpfung bekämpft, ihn erlegt und letztendlich trotzdem den angelockten Haien überlassen muss.

Ganz so dramatisch waren meine ersten relativ eigenständigen Angelversuche auf einer kleinen Insel südlich im Oslofjord nicht. Und streng genommen habe ich bisher auch keinen Fisch selbst gefangen. Was drücke ich auch die Angel meinem Mann in die Hand und gehe Baden, während die größten Seeforellen vorbeischwimmen und hungrig nach dem Köder schnappen?! Nach nur einem Wurf hing die Seeforelle am Haken. Glücklicherweise waren wir mit Angelexperten, die uns auch schon Wurf- und Knotentechnik näher gebracht haben, unterwegs. So durfte ich den Fisch nach dem Knockout längs aufschneiden. Die erste Gedärme-Entnahme habe ich mir für meinen eigenen ersten Fisch aufgehoben und bin erst wieder beim Greten entfernen und Braten eingesprungen. Der Fisch hat es immerhin zu einer stattlichen Vorspeise geschafft.

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Leseratte

Still und heimlich, im Rahmen einer kleinen Einweihungsfeier mit nur 200 Gästen hat Mitte Juni die neue Hauptbibliothek neben der Oper eröffnet. Still und heimelig wirkt die Bibliothek in den ersten Wochen nach der Eröffnung allerdings nicht. Von der Innenstadt bzw. dem Bahnhof kommend ist das Gebäude nicht zu übersehen. Es verdeckt den dahinterliegenden „Barcode“ (eine Reihe Bürogebäude), lässt aber freie Sicht auf die Oper. Im Hintergrund ist auch ein Teil des Munch-Museums zu sehen, welches im Herbst eröffnen soll. Wenn man sich der Bibliothek und ihrem Eingang nähert, wirkt das Gebäude riesig. Im Inneren fühlt man sich jedoch nicht verloren, da es viele verschieden gestaltete Etagen und Raumecken gibt. So kann man es sich je nach Einrichtungsgeschmack auf Sofa, Hocker, Holzstuhl oder Sitzsack gemütlich machen. Steckdosen und USB-Anschlüsse an jedem Tisch sind selbstverständlich vorhanden. Es gibt eine Ecke mit Nähmaschinen und 3D-Druckern, eine mit elektronischen Musikinstrumenten und auch Werkzeug kann man sich in der Bibliothek ausleihen. Durch wenige geschlossene Räume, einem Café im Eingang, einem kleinen Kino und den Rolltreppen mitten im Gebäude ist es sehr lebendig. Ach ja, Bücher, CDs und DVDs gibt es auch noch, insgesamt 450,000. Damit wird die Bibliothek dem eigenen Anspruch, ein Haus voll Bücher, Energie und Menschen zu sein gerecht. Die Kehrseite des offenen Gebäudes und der vielen Möglichkeiten ist, dass die Bibliothek bei zu vielen Besuchern – und hier hat jeder seine individuelle Grenze, was zu viel ist; bei mir liegt diese Grenze sehr tief – wie ein Einkaufszentrum wirkt. Das ist sicherlich auch den Touristen und Neugierigen geschuldet, die sich gern umschauen, aber an Büchern nicht im Geringsten interessiert sind. Der Lautstärkepegel ist ebenfalls vergleichbar mit einem Einkaufszentrum. Beim Herumschlendern entlang der Bücherregale habe ich mich so eher von der Flucht vor Menschen als von den Themen der Bücher leiten lassen. Obwohl oder gerade weil es so viele Bücher gibt, die sich aber im Raum und den ganzen anderen Möglichkeiten verlieren, fand ich es sehr schwer zu Stöbern und Schmökern. Wer einen stillen Rückzugsort zum Lernen oder Lesen sucht, sollte sich entweder einen Raum buchen oder doch wieder in die guten alten Universitätsbibliotheken gehen.


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Sommer

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Schweiß

Ja, am Rathaus wurde tatsächlich AC/DC mit „Highway to Hell“ gespielt. Die folgenden Hinweise waren im Text über das Rathaus versteckt: living easy, living free, Hölle, „nobody‘s gonna slow me down“, Autobahn, Metall, heavy, Rock. Zu jeder vollen Stunde zwischen 7 und 24 Uhr wird drei Monate lang eine festgelegte Liste an Liedern, welche man auf der Seite des Rathauses einsehen kann, gespielt. Mein derzeitiger Favorit ist natürlich Pippi Langstrumpf um 8 Uhr.

Was macht man so bei bis zu 30 Grad in Norwegen? Im Park grillen oder picknicken, im See baden und im Schatten chillen, im Fjord baden, am See zelten, im schattigen Wald fahrradfahren, versuchen die Angel zu schwingen,... Und natürlich den einzigen Regenmoment abpassen, um den Holzturm auf dem Oppkuven, mit 704 m ü. M. einer der höchsten Berge in der Nähe, zu besteigen. Ab und zu durstet man nach einem erfrischenden Radler. Wie bei einigem Ess- und Trinkbaren ist man zur Erfüllung des Wunsches auf seine eigene Kreativität angewiesen. Seit diesem Sommer wird auch hier ein „Radler“ verkauft. Allerdings ist es durch Mischung von Bier mit Grapefruit statt Zitrone deutlich bitterer. Radler als ein Gemisch aus Sprite und Bier selbst herzustellen ist noch eine dankbare Aufgabe. Als ich vor einiger Zeit keinen Tortenguss aus Deutschland mehr hatte, musste ich erst Einiges ausprobieren bevor ich das gewünschte Resultat erzielte. Der erste Versuch Tortenguss mit dem Wackelpudding aus der Pappschachtel - siehe Blogeintrag „Geschmackssache“ aus dem September 2019 - nachzubilden war wenig Aufwand, aber unausstehlich. Im zweiten Versuch sollte Gelatine den Tortenguss ersetzen. Das war schon mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Die Gelatine war relativ geschmacksneutral, wurde aber leider so fest, dass ich mich dagegen entschied damit die leckere Erdbeertorte zu bedecken. Der dritte Versuch gelang endlich: Wasser, roter Saft und Speisestärke ergibt einen etwas milchigen, aber guten Tortenguss. Nachdem die Torte fertig war, stellte ich schließlich fest, dass sich in der hintersten Ecke im Schrank doch noch Tortengusstütchen versteckt hatten. Seitdem habe ich Tortengussvorrat für die nächsten 30 Erdbeertorten. Und da diese ja auch ein Ablaufdatum haben, müssen nun viele Torten gebacken werden…

Sollte das Wetter wieder kühler werden, kommt man im täglichen Fahrrad-/Fußgänger-/Autoverkehr immer noch oft genug ins Schwitzen. Zu der Stadtplanung der Fahrradwege kann man im Blogeintrag „Von allem ein bisschen“ aus dem August 2018 nachlesen. Aber auch die Autofahrer und Fußgänger leisten – wie vermutlich in jeder größeren Stadt – ihren Beitrag. Bei den Fußgängern weiß man als Fahrradfahrer inzwischen, dass sie einfach die Straße (ohne Fußgängerüberweg) ohne nach Autos oder Fahrradfahrern zu schauen überqueren. Fahrradfahren ist hier übrigens unabhängig vom Alter sowohl auf der Straße als auch auf dem Fußweg in angepasster Geschwindigkeit erlaubt. Wenn ich mit dem Fahrrad über eine grüne Fußgängerampel fahre, rechne ich mittlerweile schon mit über die rote Ampel fahrende Fahrradfahrer auf der Straße. Bei den Autofahrern ergibt sich ein sehr geteiltes Bild. Entweder ist der Autofahrer in Eile oder mit dem Handy beschäftigt und lässt die Rechts-vor-Links-Regel links liegen, wenn ein Fahrrad kommt. Oder der Autofahrer ist sehr ängstlich und dreht eine Rechts-vor-Links-Regel auf links, um den von links kommenden Fahrradfahrer durchzulassen. Man weiß also als Fahrradfahrer nie was kommt. Vor einiger Zeit habe ich tatsächlich die Rechtslage zur Rechts-vor-Links-Regel durchgelesen, da ich davon überzeugt war, es gäbe sie hier in Norwegen nicht. Es gibt sie aber. Und sie wird in der Theorie genauso wie Bei-Rot-über-die-Ampel-fahren mit einer Strafe von ca. 700 EUR geahndet. Da ist die Benutzung des Handys am Steuer mit 170 EUR geradezu ein Schnäppchen. Zum Vergleich: 25 EUR (Rechts-vor-Links), 90 EUR (rote Ampel) und 100 EUR (Handy) in Deutschland, wenn keine Gefährdung oder Sachbeschädigung vorliegt.

Ich bin mir aber recht sicher, dass dieses ganze Chaos wenig damit zu tun hat, dass in Norwegen das „Übungsfahren“ schon ab 16 Jahren und ohne eine einzige Fahrstunden in der Fahrschule erlaubt ist. Man muss lediglich einen theoretischen Grundkurs in der Fahrschule belegt und einen über 25-Jährigen, der seit mindestens 5 Jahren den Führerschein besitzt, neben sich sitzen haben. Das wird dann mit einem roten L auf weißem Grund am Auto kenntlich gemacht.

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Ruhe und Klang

Wie erging und ergeht es wohl denen, die Reisen, Shoppen, im Café sitzen oder ins Theater/ Kino/ Museum gehen als Hobby haben? Ich stelle mir vor, das ist für mich vergleichbar mit einer Absperrung aller Fjorde, Wälder und Seen: Nicht unmöglich zu überstehen, aber äußerst deprimierend. In meinen Freizeitaktivitäten war ich keineswegs eingeschränkt. Im Gegenteil, bei einem gemütlichen Stadtspaziergang an einem sonnigen, touristenfreien Tag hat sich Oslo von der besten Seite präsentiert. Für das erste „Draußen-Eis“ musste man sich nicht in keine lange Schlange einreihen. Nein, das wäre gelogen. Die Schlange war wegen der Abstandsregeln schon lang, aber zumindest nicht voll. Im Norwegischen gibt es den Begriff des ersten „Draußen-Biers“ („utepils“). Ich plädiere dafür einen entsprechenden Begriff für Eis einzuführen. Während Eis immer schmeckt, ist der riesige Plastikbaum in der Nähe von Aker Brygge durchaus Geschmacksache. Einerseits ist es faszinierend, wie „echt“ der Baum von weitem wirkt. Andererseits ist es ein einziger umweltverschmutzender Haufen Müll. Ich hatte gehofft, dass der Baum aus Plastikmüll, der zum Beispiel aus dem Fjord gefischt wurde, gebaut wurde. Meine Internetrecherchen deuten nicht darauf hin. Neben Plastik sind auch jede Menge LED-Lichter verbaut, so dass der Baum im Winter in bunten Farben erleuchtet. Zum Glück gibt es in der Umgebung auch noch "richtige" Pflanzen, die wir unter anderem bei einer Zelttour in voller Pracht fanden.

Außerdem konnte ich auch dem Glockenspiel am Osloer Rathaus ohne störende Nebengeräusche wie Autos oder schreienden Stadtführern lauschen; nur der Wind singt leise mit (zum Hören bitte auf „Klokkespill“ klicken):

Klokkespill

Erkennt jemand das weltweit bekannte Lied? Der Gewinner bekommt meine Höchstachtung. Ich habe es nicht erkannt und im Internet nachschauen müssen. Für alle Unmusikalischen wie mich: Tipps sind im folgenden Abschnitt eingebaut.

Das aus roten Ziegelsteinen gebaute Osloer Rathaus gilt als Zeichen der Unabhängigkeit Norwegens 1905; living easy, living free. Doch der erste Grundstein wurde letztendlich erst 1931 nach dem achten eingereichten Architekturentwurf gelegt. Das war für die Architekten sicherlich die Hölle. Die offizielle Eröffnung fand 1950 statt. Damit schlägt das Rathaus (voraussichtlich) sogar den Berliner Flughafen, doch waren auch hier die Deutschen beteiligt. Der Zweite Weltkrieg kam und die Bauarbeiten wurden ausgebremst. Von wegen „nobody‘s gonna slow me down“. Das Rathaus hat eine Grundfläche von 4900 m² und eine Nutzfläche von 39700 m². Die Räume beherbergen das Stadtparlament und mehrere Festsäle. Allein die Rathaushalle ist 49x31 m groß. Aus der Rathaushalle heraus hat man einen schönen Blick auf den Fjord. Der Platz zwischen Rathaus und Fjord ist meist so überfüllt mit Touristen wie eine deutsche Autobahn zum Feierabendverkehr mit Autos. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen, ist der Ostturm mit 66m um 3m höher als der Westturm. Falsche Ausführung ist nicht der Grund, sondern, dass die Straße auf der westlichen Seite höher ist. Das Glockenspiel im Ostturm besteht aus 49 Glocken. Sie sind aus Bronze, einem Metall mit einem Kupferanteil von mindestens 60%. Die Größte wiegt 4 Tonnen, leicht heavy. Schräg über der eichenen Eingangstür hängt eine astronomische Uhr mit 5 Meter Durchmesser. Sie zeigt die Uhrzeit, Sternbilder und Mondphase an. Sowohl die Fassade als auch die Innenräume sind künstlerisch gestaltet, und stellen die Geschichte und Kultur Norwegens dar. Bei der Gestaltung sollte das Volk im Mittelpunkt stehen. So lässt sich selbst die Statue einer Prostituierten aus dem 19. Jahrhundert – gekleidet in Rock und Bluse, mit Hut – finden. Hintergrund ist, dass dort wo das Rathaus gebaut wurde zuvor Bordelle ansässig waren. Das Osloer Rathaus ist weltweit das einzige öffentliche Gebäude mit einer solchen Statue. Jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, findet die Friedensnobelpreisverleihung im Rathaus statt.

Pünktlich zum guten Wetter haben wir unseren privaten Norwegischkurs bei einer großen Sprachschule, welcher in den letzten Wochen natürlich online stattgefunden hat, abgeschlossen. Der im Vergleich zu anderen Möglichkeiten ziemlich preisintensive Kurs hat unsere Erwartungen nicht erfüllen können. Von einer professionellen Sprachschule hätten wir eine wesentlich bessere Organisation erwartet. Lehrer, die nicht über Stunden mit uns informiert wurden und dementsprechend nichtoder viel zu spät auftauchten oder den Unterricht zu früh beendeten, ein Lehrbuch, das wir bestellen sollten, das dann aber doch nur selten genutzt wurde, unsere Wunschliste mit Themen, die wir zur ersten Stunden mitgebracht haben, deren Erfüllung nie besprochen wurde und an die wir immer wieder erinnern mussten sowie technische Probleme bei den Online-Stunden, obwohl diese auch schon vor Corona viele Teilnehmer genutzt hätten, hinterließen kein gutes Bild bei uns und konnten auch durch zwei Gratis-Stunden nicht wieder gut gemacht werden. Immerhin sind wir sicherlich im Norwegischen nicht schlechter geworden und gewappnet für den Sommerurlaub nur mit Norwegern (-;

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Ohne Worte

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Folkedugnad

Passend zur Überschrift des letzen Blogeintrags („Die Qual der Wahl(en)“) fanden wir in unserer ersten „Too good to go“-Tüte von einem regionalen Feinkostladen zwei Salami-artige Würste aus Walfleisch. Ich wäre von selbst nie auf die Idee gekommen, eine Wal-Salami zu kaufen. Aber das vom Wegschmeißen gerettete Essen muss natürlich mindestens probiert und nur im Schlimmsten Fall doch entsorgt werden. Wer erwartet, dass Walfleisch nach Fisch schmeckt, wird eines Besseren belehrt. Zumindest in Form einer Salami – das heißt, entsprechend gewürzt und mit Schweineherz vermischt – schmeckt es schlichtweg nach kräftiger, fettiger Salami. Auf dem Brett, auf dem ich die Salami geschnitten habe, ist immer noch ein großer Fettfleck, der sich bisher mit verschiedensten Methoden nicht hat wegwaschen lassen wollen. Vermutlich könnte man den Löffel Tran im Winter (siehe Blogeintrag „Trantüte“) auch durch eine entsprechende Menge Walsalami ersetzen. Da die Tage länger werden und sich der Vitamin-D-Speicher endlich auch durch Sonnenstrahlen füllt, ist dies nicht mehr notwendig. So wird unsere Walsalami wahlweise auf unseren Brotscheiben oder in der Reispfanne landen.

Natürlich komme auch ich nicht an dem alles andere beiseite drängenden Thema Corona vorbei. Sowohl eine Heimreise nach Deutschland und Besuch der Verwandtschaft als auch ein bereits ausführlich geplanter Wanderurlaub musste verschoben werden. Hatte man gehofft, hier oben im Norden kommt das Virus nicht so schnell an wie in Zentraleuropa, wurde man enttäuscht. Ende Februar traten die ersten nachgewiesenen Fälle sowohl im südlich gelegenen Oslo als auch nahe am Nordpol auf. Selbst auf den Färöer Inseln – um politisch korrekt zu sein: die Färöer Inseln sind autonom und gehören zur dänischen Krone, liegen jedoch zwischen Norwegen und Island; sie sind für mich der Inbegriff der europäische Abgeschiedenheit – gab es bereits Anfang März erste Infizierte. Entgegen der Haltung unserer schwedischen Nachbarn, hat Norwegen relativ schnell – genauer: Vier Tage vor Deutschland – Maßnahmen gegen die Ausbreitung beschlossen. Vor zweieinhalb Wochen wurden die meisten öffentlichen Einrichtungen, Schule, Museen und Ähnliches geschlossen und Veranstaltungen abgesagt. Wer aus dem Ausland nach Norwegen kommt, muss zwei Wochen in Quarantäne, und viele Unternehmen haben entweder wenn möglich Home Office angeordnet oder auf unbestimmte Zeit geschlossen. Als diese Maßnahmen anfingen, haben viele Norweger verständlicherweise gedacht, dass es sich in dieser Zeit auf ihrer Hütte in den Bergen doch viel besser Leben ließe als in der Stadt: weniger Kontakt zu anderen Menschen, ausreichend gute Internetverbindung für Home Office und beste Skibedingungen schienen gute Argumente zu sein. Doch die Regierung hat schnell reagiert und wenige Tage später wurden Hüttenaufenthalte verboten, wenn sich die Hütte außerhalb der Gemeinde, in der man wohnt, befindet. Auch sie hatte einige wie ich finde überzeugende Argumente: Die Infrastruktur, insbesondere Krankenhäuser, ist an den Wohnorten ausgerichtet. Wenn jeder gegebenenfalls Corona-Erkrankte erst mit dem Hubschrauber hunderte Kilometer geflogen werden muss, kann man sich denken, wie schnell das Pflegesystem an seine Grenzen kommt. Dieses Hüttenverbot wird gemäß den Medien auch mit Strafen geahndet. Im Vergleich zu Deutschland scheinen die Maßnahmen insgesamt aber doch noch etwas weniger rigoros zu sein. Von einer Beschränkung der Anzahl der Teilnehmer an einem Spaziergang habe ich nur in deutschen Zeitungen gelesen. Es wird an die Solidarität der Menschen appelliert und die momentane Zeit als „folkedugnad“ – „Volks-Freiwilligen-Arbeitseinsatz/ Nachbarschaftshilfe zum Wohle der Gesellschaft“ – bezeichnet. „Dugnad“ wird normalerweise zum Beispiel von Hausgemeinschaften oder Vereinen als Frühjahrsputz durchgeführt. Hier wird dazu geraten, zum Beispiel öffentliche Nahverkehrsmittel zu meiden und Abstand im Supermarkt zu halten. Andererseits wird aber auch betont, dass es wichtig ist das gute Wetter am Wochenende zu nutzen und spazieren oder wandern zu gehen, Fahrrad zu fahren und Ähnliches. Wenn möglich, sollte dies aber in der eigenen Gemeinde und nicht alle an den typischen beliebten Ausflugszielen stattfinden. Ein schwieriger Spagat ist das. Apropos Spagat, während Toilettenpapier zu kaufen hier in Oslo weiterhin problemlos möglich war, war es schon schwieriger an eine Yogamatte zu kommen. Erst beim vierten Sportladen hatte ich Erfolg. Selbst wenn mein gewünschtes Modell nicht mehr vorhanden war, habe ich immerhin eine Matte bekommen. Die Videoangebote und Online-Live-Fitnessstunden sind vielfältig. Als mir neulich vorgeturnt wurde, sich drei Meter in die eine und drei Meter in die andere Richtung zu rollen, zeigte sich jedoch, dass die Programme noch nicht ganz an die neue Situation angepasst waren. Die Übungsleiterin hatte den großen Fitnessstudioraum für sich allein, aber meine erste Rolle endete schon am Tischbein in die eine Richtung und am Sofa in die andere Richtung. Nudeln, Mehl und Hefe zu Beginn der Maßnahmen sehr beliebt. Unsere letzte frische Hefe haben wir für Zimtschnecken verwendet. Mehl und Nudeln gibt es mittlerweile wieder zu kaufen. Während mein Mann noch zur Arbeit geht, habe ich mir am Schreibtisch meine Home Office-Ecke eingerichtet. Etwas Positives daran ist die selbstbestimmte Mittagspause: mal ein Spaziergang, mal ein Mittagessen im Park, mal eine Joggingrunde und mal ein Sonnenbad auf dem Balkon. Zum Glück scheint die Sonne auch gern auf relativ leere Straßen und stillgelegte Unternehmen. Und wie ihr euch sicherlich denken könnt, haben wir bisher keine Schwierigkeiten, das Fahrrad statt die Bahn zu nehmen und abgelegenes Waldidyll rund um Oslo zu finden. Harren wir also bis nach Ostern aus, versuchen das Beste aus der Situation zu machen und hoffen auf tollere Zeiten!

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Die Qual der Wahl(en)

For å se snø dro vi til en hytte på fjellet for noen uker siden. Der var det mye snø. Så mye at vi måtte måke snø foran hytten flere ganger. Så mye at turskiltene var nesten ikke å se. Så mye at løypemaskinene kjørte ofte og det fantes fine skiløyper.

Um Schnee zu sehen, fuhren wir vor einigen Wochen zu einer Hütte in den Bergen. Dort gab es viel Schnee. So viel, dass wir mehrmals vor der Hütte Schnee schieben mussten. So viel, dass die Schilder fast nicht zu sehen waren. So viel, dass die (Loipen-)Raupen oft fuhren und es tolle Skiloipen gab.

Beim Übersetzen stelle ich fest, dass ich mir keinen besonders Anfänger-freundlichen Text ausgesucht habe. Daher habe ich zusammengehörige Textpassagen Satz für Satz farbig markiert. Ich dachte, unabhängig vom Inhalt werde ich gut erklären können wie ähnlich sich das Norwegische und Deutsche doch sind. Ich wurde eines Besseren belehrt. Analysieren wir doch mal Einiges aus den obigen Abschnitten:

  • „For å“ heißt „um“ und könnte in schlechtem Deutsch „für dass“ übersetzt werden
  • „Se“ ist „sehen“ und dem englischen „see“ sehr ähnlich
  • „Snø“ – gesprochen „snö“ – ist Schnee, für den die Samen angeblich 180 Wörter haben
  • „Dro“ ist die Vergangenheitsform von „dra“ = „fahren“. Allerdings ist „dra“ das Wohin-Fahren, aber nicht die Aktivität des Fahrens. Letzteres wird „kjøre“ – Vergangenheitsform „kjørte“ – übersetzt und kommt im letzten Satz vor. Bei beiden Wörtern kann ich keine Ähnlichkeit zum Deutschen feststellen.
  • „For noen uker siden” bedeutet „vor einigen Wochen”, wort-wørtlich jedoch eher „für einigen Wochen seit”
  • „mye“ heißt „viel“ bei nicht-zählbaren Dingen wie Schnee, Wasser, Freude usw. Bei zählbaren Dingen wie Erdbeeren und Pfannen ist es hingegen „mange“. Wobei es auch mindestens eine Ausnahme gibt: „Mange takk“ bedeute „vielen Dank“. Ich habe es allerdings bisher noch nie geschafft, Dankbarkeit zu zählen.
  • „Der var det mye snø“ ist wort-wörtlich „Dort war es viel Schnee“. Jeder in Deutschland würde verstehen, was gemeint ist, aber gutes Deutsch ist das nicht.
  • „Flere ganger“ habe ich mit „mehrmals“ übersetzt. Wort-wörtlich wäre es wohl „mehrere Male/ Gänge“.
  • „måtte“ ist die Vergangenheitsform von „må” – ausgesprochen „mo” – = müssen
  • Die „løypemaskinene” oder „Loipen-Maschinen” werde im Deutschen kreativ als Raupen bezeichnet. Wenn man anhand dieses Beispiels eine kleine Lektion der bestimmten und unbestimmten Formen im Singular und Plural geben will
    • eine Maschine = en maskin
    • zwei Maschinen = to maskin
    • die Maschine = maskinen
    • die Maschinen = maskinene
    stößt man schon an seine Grenzen. Es gibt andere Wörter, die zum Beispiel „et” als unbestimmten Artikel haben oder bei denen die unbestimmte Pluralform durch Anhängen von „er” gebildet wird.

Mein Fazit: Allen, die an der norwegischen Sprache interessiert sind, empfehle ich eine Sprachkurs. Mein Blog ist hierfür nicht geeignet. Neben dem Norwegischlernen habe ich mich dem Thema Wahlrecht für Ausländer gewidmet.

Es gibt die Stortinget-Wahl – vergleichbar zur deutschen Bundestagswahl –, die alle vier Jahre und das nächste Mal im Herbst 2021 durchgeführt wird. Um daran teilzunehmen, muss man folgende Bedingungen erfüllen:

  • Norwegischer Staatsbürger sein
  • Mindestens 18 Jahre alt sein
  • Wahlrecht nach Artikel 53 des Grundgesetzes nicht verloren haben (das Wahlrecht kann man zum Beispiel bei einer schlimmen Straftat weggenommen bekommen)
  • In Norwegen wohnhaft (d.h. im folkeregister geführt) sein

Dementsprechend dürfen wir, solange wir nicht die norwegische Staatsbürgerschaft annehmen, nicht teilnehmen. Seit diesem Jahr erlaubt Norwegen eine doppelte Staatsbürgerschaft. Allerdings besagen die deutschen Gesetze, dass eine doppelte Staatsbürgerschaft in Kombination mit Norwegen grundsätzlich nicht möglich ist. Hingegen wird eine doppelte Staatsbürgerschaft mit jedem EU-Land auf Antrag genehmigt.

Aber es gibt auch noch die „kommunestyre- og fylkesting” Wahlen, die mit den deutschen regionalen Wahlen verglichen werden können. Um daran teilzunehmen, muss man folgende Bedingungen erfüllen:

  • Mindestens 18 Jahre alt sein
  • Wahlrecht nach Artikel 53 des Grundgesetzes nicht verloren haben (das Wahlrecht kann man zum Beispiel bei einer schlimmen Straftat weggenommen bekommen)
  • In Norwegen wohnhaft (d.h. im folkeregister geführt) sein: falls man Staatsbürger eines anderen nordischen Landes ist: ab 30. Juni des Wahljahres, falls nicht: 3 Jahre

Aufgrund des letzten Punktes durften wir 2019 nicht teilnehmen und müssen uns bis 2023 gedulden.

Darüber hinaus gibt es die Sametinget-Wahl, an der jedoch nur Samen teilnehmen dürfen. Das Sametinget mit 39 Representaten (zum Vergleich: Stortinget hat 169) arbeitet für den Erhalt der samischen Kultur, Sprache und Gemeinschaft. Es wurde 1989 gegründet, um der Unterdrückung der Samen entgegenzuwirken. Außerdem hat das Sametinget Einwirkung auf einige Gesetze wie zum Beispiel das Plan- und Baugesetz, Erziehungsgesetz und Stadtnamensgesetz.

Und wie ist es anders herum? Haben wir als deutsche Staatsbürger noch Wahlrecht in Deutschland? Wie ich gelernt habe, schimpfen wir uns „Auslanddeutsche“ und sind als diese nicht automatisch im Wählerverzeichnis enthalten. Bei jeder Bundestagswahl muss daher ein Antrag beim Auswärtigen Amt gestellt werden, um daran teilzunehmen. Das Wahlrecht für eine Teilnahme an der Europawahl für nicht in der EU Wohnenden wurde 2019 abgeschafft. An regionalen Wahlen dürfen wir nicht teilnehmen, da dieses Wahlrecht an den Wohnort gebunden ist.

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Hundert Tage Schneelosigkeit

Die Hoffnung auf Schnee im Januar und einen schönen, winterlichen Jahresbeginn hat sich leider nicht erfüllt. Der Januar hat sich wie ein typischer November benommen, und auf für den Februar sieht es nicht besser aus. Somit mussten wir uns weiterhin mit einigen Wanderungen – meistens bis zum Sonnenuntergang – zufriedengeben. Wo kaum oder kein Schnee ist, kann sich Eis umso besser breit machen. Die Schotterwege im Wald waren kilometerlang mit einer 5 cm dicken Eisschicht bedeckt. Während wir auf Spikes unter den Schuhen vertrauen, machen Andere etwas noch Besseres daraus: Der Mann auf dem Foto rechts unten läuft Schlittschuhe. Eine sehr clevere Idee, insbesondere da die Seen rund um Oslo aufgrund des ständigen Wechsels von Minus- und Plustemperaturen bestimmt nicht sicher sind. Im eisig gewordenen Schnee sieht man (Foto oben rechts) umso besser, in wessen Spuren man wandelt: Der König der Wälder hat sich uns zwar nicht gezeigt, jedoch eindeutig an der gleichen Stelle wie wir eine Pause gemacht.

Im nächsten Eintrag könnte ich etwas über Prokrastination schreiben, das beherrsche ich beim Blogschreiben derzeit äußerst gut und führt zu einem relativ kurzen Eintrag heute. Außerdem muss ich mich Freitagsabends weiterbilden und norwegisches Fernsehen gucken. Da das nicht ausreichend ist, und mein Mann und ich zwar viel in den bisherigen Gruppenkursen (vgl. Einträge "Sprachfortschritte I", "Von allem ein bisschen", Schneegestöber") gelernt habe, jedoch gern noch mehr lernen möchten, werden wir demnächst Privatunterricht nehmen. Vielleicht gibt es den nächsten Eintrag dann auch auf Norwegisch.

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Reflektion

Die dunkelste Zeit des Jahres ist angebrochen, und es ist ratsam sich Reflektoren an Taschen, Rucksäcken und Jacken zu heften. Vielleicht erwartet der eine oder andere Leser nach zwei Jahren in Oslo auch ein tiefgehendes, reflektiertes Fazit über das Auswandern. Doch das ist nicht so einfach. Zum einen halte ich das Auswandern und Reflektieren darüber für einen langwierigen, vielleicht sogar lebenslangen Prozess. Zum anderen mögen sich zwei Jahre lang anhören, sind aber doch nur ein kleiner Moment im Leben eines erwachsenen Menschen. Aufbauend auf dem Blog-Eintrag „November-Blues“ aus dem November des vergangenen Jahres versuche ich es trotzdem.

Zunächst einmal gibt es bei einer Entscheidung wie dem Auswandern kein richtig oder falsch, kein schwarz oder weiß. Niemand wird jemals wissen, ob es anders – und „anders“ kann bedeuten, in der Heimat zu bleiben, innerhalb von Deutschland umzuziehen oder in ein anderes (vielleicht südliches) Land zu ziehen – vielleicht besser gewesen wäre. Es ist auch hierbei wie mit allen Entscheidungen: Man kann lediglich in der Situation, in der man sich befindet, mit allen Informationen, die vorliegen, die in diesem Moment optimale Entscheidung treffen. Der folgende Absatz ist vermutlich nur für Ökonomen zum Schmunzeln – ähnlich wie das Kartenspiel Bonanza nur mit Ökonomen richtig Spaß macht – und führt den letzten Satz weiter aus. Alle anderen Leser sind hiermit von der Lesepflicht befreit und können das „Weihnachts-Spezial für Ökonomen“ überspringen:


Weihnachts-Spezial für Ökonomen

Da erinnere ich mich nun an „Contract and Information Economics“. Mit etwas Phantasie lässt sich Akerlof’s „Market for Lemons“-Problem auch auf das Auswandern (und vermutlich viele andere Entscheidungen) übertragen. Versteckte Charakteristika gibt es beim Auswandern viele, doch Kultur ist sicherlich das Prägendste. Es ist nicht möglich zu wissen, was auf einen zukommt. Man versucht also das Risiko eine „saure Zitrone“ zu bekommen bei seiner Entscheidung mit einzupreisen. Mit Norwegen als kulturell vergleichsweise ähnlichem Land ist das Risiko eingedämmt, aber nicht verschwunden.

Zu Universitätszeiten wäre ich vielleicht sogar in der Lage gewesen, eine ökonomische Berechnung zu dieser Entscheidung anzustellen. Nach ein paar Jahren praktischer Arbeit war das leider nicht mehr möglich. Stattdessen habe ich vor zwei Jahren eine Vor- und Nachteileliste aufgestellt, verschiedene Szenario-, Volatilitäts- und Wahrscheinlichkeitsabschätzungen durchgeführt und einen Worst Case aufgestellt – für etwas muss die Studienzeit ja gut gewesen sein –, um dann zugegebenermaßen dem Bauchgefühl das letzte Wort zu geben. Ich stelle mir vor, dass es bei diesem Spiel auch multiple Gleichgewichte gab und gibt. Die Frage war lediglich, ob ich mit dem Auswandern ein Gleichgewicht „Zufriedenheit“ treffe oder noch nicht einmal auf einem zu „Zufriedenheit“ konvergierenden Pfad lande. Wie im folgenden Text ausgeführt, bin ich nach meiner jetzigen Einschätzung auf einem guten Pfad bzw. Gleichgewicht gelandet. Hier verfolge weiterhin die Strategie der sequenziellen Rationalität, versuche also auf dem Pfad, auf dem ich mich gerade befinde, die beste Entscheidung zu treffen.


„Erfolgreiches Auswandern“ lässt sich somit nur schwer definieren. Mein Erfolgskriterium war und ist, sich in der neuen Umgebung in Summe wohl zu fühlen. Nicht mehr, und nicht weniger. Zu hohe und insbesondere unrealistische Erwartungen können nur enttäuscht werden. Es wird immer etwas geben, was „besser“ ist und etwas was „schlechter“ ist. Es hängt dann von der Persönlichkeit ab, worauf man seinen Fokus legt und worüber man hinwegsehen kann. Beruhigend war für mich zu wissen, dass diese Entscheidung auch rückgängig gemacht werden kann. Das erfordert einige Nerven, aber ist nicht unmöglich. Entscheidungen enden selten unwiderruflich am Preikestolen (siehe Bild), von dem es nur noch in die Tiefe geht. Realistische Erwartungen, die Sicherheit nicht auf dahin schmelzenden Eisschollen in eine Sackgasse zu rennen sowie eine gewisse Gelassenheit und Genügsamkeit tragen dazu bei, dass Auswandern erfolgreich werden kann. Meiner Meinung nach leben wir derzeit und hier in einer Welt voller Möglichkeiten, die das Leben nicht unbedingt einfacher macht. Trotzdem bin ich dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte zu schauen was links und rechts vom Weg liegt. Nun ist der Norden ein Teil meines Weges geworden.

Ich denke, ich befinde mich immer noch bei vielen Dingen in Phase 2(vgl. „November Blues“). Es ist anstrengend, dass Norweger sehr amerikanisch oberflächlich und gleichzeitig extrem verschlossen sind. Ein herzliches, aufrichtiges Band zu knüpfen ist äußerst schwierig. Dabei meine ich noch nicht einmal engste Freundschaften, sondern alltägliche Situationen. Wie lässt sich die Schizophrenie erklären, dass man einerseits ständig auf der Straße angerempelt wird und andererseits im Wald beim Wandern nett gegrüßt wird? Die Lehrerin des Norwegisch-Kurses versuchte uns zu erklären, dass Norweger das Großstadtleben noch nicht so gut verinnerlicht haben. Sie kommen von Orten, an denen es keinen Trouble gibt, an dem man seinen Weg gehen kann und keine Rücksicht auf andere nehmen muss. Kommt ein solcher Norweger in die Stadt, benimmt er sich so wie er es an den einsamen Orten gelernt hat. Die gute Work-Life-Balance ist Fluch und Segen zugleich. In meiner Freizeit weiß ich sie sehr zu schätzen, in meiner Arbeitszeit führt sie gelegentlich zu Frust über Verspätungen und Desinteresse. Abgesehen davon, dass ich die norwegische Sprache noch nicht perfekt beherrsche, gibt es einige Zwischentöne und -zeichen, die ich derzeit als dann Außenstehender zwar nicht greifen aber erahnen kann. Mittlerweile verstehe ich auch eher, wenn eine Aussage oder Handlung für nicht-deutsche Verhältnisse ungewöhnlich oder irritierend ist. Zum Beispiel, wenn ich Bedenken oder Kritik relativ direkt und frei ausspreche. Ob das der Beginn der dritten Phase „Anpassung“ ist?

Bei einigen Gewohnheiten habe ich vielleicht auch schon unbewusst die Phase 3 durchlaufen. Es fällt jedoch sehr schwer, dafür konkrete Beispiele zu finden. Sicherlich – und hoffentlich – habe ich mich in den letzten zwei Jahren verändert und entwickelt. Doch was davon fällt zum Beispiel auf den Wechsel vom Kleinstadtleben in die Großstadt zurück? Welche Meinungen und Werte hätte man sowieso auch in Deutschland hinterfragt und geändert?

Unumstritten bleibt, dass ich die Natur, das Wasser und die Jahreszeiten genieße.

Um meine Punkte deutlich zu machen, ist der obige Text an der einen oder anderen Stelle plakativ und übertrieben dargestellt und die Schattenseiten lesen sich so geballt wesentlich dunkler als sie im alltäglichen Leben sind. Tatsächlich ist heute der kürzeste Tag des Jahres. Die Sonne ist heute um 9:18 Uhr auf- und um 15:12 Uhr untergegangen. Dazwischen war es aufgrund des Regenwetters jedoch auch nicht viel heller.

Damit wünsche allen ein besinnliches, frohes, leuchtendes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr! God jul!

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Trantüte

Statt der Vitamin D-Tabletten (siehe Blog-Eintrag „Schatten und Licht“ im Dezember letzten Jahres) habe ich dieses Jahr zu Tran von norwegischem arktischem Dorsch von den Lofoten und Vesterålen gegriffen. Nachdem ich von gestandenen Norwegern gehört habe, die lieber eine Kapsel hinunterschlucken statt den puren Tran zu trinken, hatte ich einige Bedenken, wurde aber auch neugierig. Ein Löffel purer Tran schmeckt mir nicht schlechter als ein Löffel voll Rosenkohl. Einzig das Gefühl von Öl, das die Innenwand des Halses herunter kriecht, ist unangenehm. Den Tran in einem Glas Orangensaft zu verrühren und schnell auf Ex hinunterzuschütten hilft. Hierbei muss man schnell genug sein, damit der Tran nicht wie ein Ölteppich auf dem Orangensaft treibt und letztendlich im Glas bleibt. Zugegebenermaßen, einen direkten Effekt habe ich von der regelmäßigen Tran-Einnahme weder erwartet noch verspürt. Schaden wird es aber sicherlich auch nicht.

Zur Überbrückung der langen Zeit vom Sommer bis Weihnachten waren wir spontan für ein langes Wochenende nördlich von Lillehammer (ca. 4 Stunden Fahrzeit von Oslo), um reine Luft und Winterstimmung zu schnuppern. Auf der Internetseite https://waqi.info/ sieht man einen Echtzeit-Luftqualitätsindex. Laut dieser Quelle scheint die Luft in Oslo – zumindest an einem Samstag-Abend – nicht viel besser als in vielen deutschen Städten zu sein. Zugegebenermaßen kommt es mir aber durch die Nähe zum Wasser aber so vor. Doch in den Bergen hat sie – solange nicht gerade ein Schneeschiebe-Traktor vorbeifährt – sicher eine noch bessere Qualität. Und manchmal sind dort statt Rußpartikel Eiskristalle in der Luft, die einen Lichteffekt namens „Halo“ erzeugen. (Jetzt weiß ich auch endlich worüber Beyoncé da eigentlich so singt.) Das unterste Bild ist also nicht durch meine mangelnde Fähigkeit zu Fotografieren entstanden, sondern sah tatsächlich so aus. Genauer gesagt haben wir vermutlich zwei Nebensonnen mit Lowitzbogen kombiniert mit einem leichten 22-Grad-Ring gesehen. Eine sehr informative Seite zu diesem Thema ist https://www.meteoros.de/themen/halos/haloarten/

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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

In Norwegen wird genauso wie in Deutschland die Uhr im Oktober eine Stunde zurück und im März eine Stunde vorgestellt. Basierend auf einer Idee von Benjamin Franklin, um Energie bzw. Öl zu sparen – eine äußerst klimabewusste Idee im Jahr 1784, die vermutlich eher aus ökonomischen Erwägungen zustande kam – wurde die „Sommerzeit“ erstmalig im Jahr 1916 in Norwegen durchgeführt, jedoch nicht weiter verfolgt. Zwischen 1940 und 1945 wurde die Zeitumstellung wieder aufgenommen, wobei von 1940 bis 1942 ganzjährig Sommerzeit war. Auch zwischen 1959 und 1965 wurde die Zeitumstellung durchgeführt. Im Jahr 1965 wurde sie vom Stortinget (Parlament, vgl. Blogeintrag „Tourist in der eigenen Stadt“) abgeschafft. In Deutschland gab es übrigens ein ähnliches Hin- und Her: Die Sommerzeit wurde von 1916 bis 1918 durchgeführt, abgeschafft, von 1940 bis 1949 wieder eingeführt, wobei auch von 1940 bis 1942 ganzjährig Sommerzeit war, und wieder abgeschafft. Im Jahr 1980 wurde eine EU-Direktive 2000/84/EF zur Schaffung einheitlicher Start- und Endzeiten der Sommer- und Winterzeit eingeführt. Zuvor hatten einige Länder zwar Sommer- und Winterzeit, jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Nach der Vereinheitlichung entschloss Norwegen es noch einmal mit der Zeitumstellung zu versuchen. Nachdem das EU-Parlament nun in diesem Jahr für die Abschaffung der Zeitumstellung gestimmt hat, wurde auch in Norwegen über den Sinn oder Unsinn diskutiert. Die norwegische Regierung – in Person des Wirtschaftsministers – möchte zunächst eine klare Entscheidung der EU abwarten.

Trotz der nun wesentlich geringeren Sonnenstunden erkunden wir weiterhin die Gegend mit dem Fahrrad und zu Fuß. Sowohl der Kjerkeberget, 620 m.ü.M., als auch die Maridalalpene mit drei Bergen um die 500 m.ü.M. haben uns erfreut. Auf dem Kjerkeberget lag Anfang Oktober schon ein wenig Schnee, der zum Kochen und Schneemannbauen verwendet werden konnte. Einen der höchsten Berge in der Osloer Gegend (Oppkuven mit 705 m.ü.M.) werden wir uns für das nächste Jahr aufsparen. Von dort soll man bis zum Gaustatoppen in der Telemark und bis zum Jotunheimen Nationalpark sehen können.

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Geschmackssache

Immer wieder noch blitzen einige sonnige Tage durch die wolkenbehangene, von Tag zu Tag dunkler werdende Woche. Bei guter Wetterlage herrscht weiterhin der Zwang, diese auch auszunutzen. Bei schlechtem Wetter wird in Erinnerungen vom Sommerurlaub geschwelgt – einige Bilder vom Sommerurlaub gibt es hier: https://www.simonprinz.de/norwegen2019/norwegen201.9.html –, ein gutes (norwegisches) Buch gelesen, oder neue Rezepte ausprobiert und bereits bekannte Rezepte verfeinert. Doch Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.

Falls sich die Kollegen an meiner alten Arbeitsstätte noch an etwas von mir erinnern können, dann vermutlich die Nussecken, die ich jedes Jahr zu meinem Geburtstag gebacken habe. An einem regnerischen Samstag im September überkam mich nun auch in Oslo die Backlaune und die Wahl fiel auf Nussecken. Da wir zwar gern und viel Süßes essen, ein ganzes Blech Nussecken dann aber doch zu viel war, nahm ich Einige für die Kollegen mit auf die Arbeit. Schon mit dieser Handlung habe ich mich der norwegischen Kultur – zumindest meiner Arbeitsstätte – widersetzt, doch ich dachte, den Nussecken kann niemand widerstehen. Leider lag ich falsch. Die Box wurde nicht leer und ein Dankeswort kam auch nicht über alle Lippen. Im Nachhinein betrachtet ist es vielleicht auch nicht so verwunderlich. Wenn man in der Auslage beim Bäcker genau hinschaut, bestehen die meisten Gebäcke aus Hefeteig – mit Zimt, mit Kardamom, mit Rosinen, mit Vanillecreme. Schokomuffins schaffen den Weg zum Verkauf meist auch noch. Andersartige Gebäcke findet man kaum. Selbst die französische Bäckerei verkauft neben Croissants keine weiteren französischen Gebäcke wie Eclairs, Cannelés oder Madeleines. Stattdessen Zimt-Hefegebäck. Ein Blick im Supermarkt zeigt, dass das vermutlich auch das lukrativere Geschäft ist.

Wer bitte gibt 10 Euro für 225g Mandeln aus? Und bisher sind dies die einzigen Nüsse/ Mandeln, die ich im Supermarkt gefunden habe. Nun ja, eines ist sicher: die nächsten Nussecken werden wir selbst verspeisen. Für alle, die das Nussecken-Experiment an ihrer Arbeitsstätte ausprobieren wollen, kommt hier mein Rezept:


NUSSECKEN

1. Teig

Die folgenden Zutaten zu einem zusammenhängenden Teig kneten und auf einem Blech ausrollen:

  • 300 g Mehl
  • 100 g Speisestärke
  • 200 g Zucker
  • 170 g Margarine
  • 1 Teelöffel Backpulver
  • 2 Päckchen Vanillezucker
  • 2 Eier

2. Belag

1 Glas Aprikosenmarmelade auf dem Teig verteilen.

Die folgenden Zutaten in einem Topf schmelzen:

  • 200 g Margarine
  • 200 g Zucker
  • 2 Päckchen Vanillezucker

Danach die geschmolzene Masse mit

  • 6 Esslöffel Wasser und
  • 400 g gemahlene, gehackte oder gehobelte Nüsse oder Mandeln

Die Nussmasse auf der Aprikosenmarmelade verteilen.

3. Backen

Das Backblech mit dem Teig und Belag bei 175 Grad Umluft 30 Minuten lang backen. Die Nussecken im warmen Zustand schneiden. Nach dem Erkalten mit flüssiger Schokolade beträufeln.


Während ich also noch auf der Suche nach mehr Mandel- und Nussvariationen bin, habe ich Leberwurst im Kühlregal gefunden. Beleidigt könnte die Leberwurst aber sein, weil sie es nicht in die Frischetheke schafft und die grobe Art dann doch sehr fein ist. Die Milch hingegen lässt uns wissen, dass sie auch nach dem „Verfalls-“Datum nicht zwangsläufig sauer ist („Haltbar bis… aber nicht schlecht nach“). Sowohl dem Wackelpuddingpulver als auch dem Käse im Päckchen sollte man hingegen nicht trauen; der erwartete Wackelpudding war zum Schütteln süß und statt des erwarteten Schafkäses kam ein fester weißer, nach nichts schmeckender Block zum Vorschein. Apropos Block-Blog: Neue Blogeinträge gibt es meist am Monatsende (-:

Der im folgenden Bild gezeigte Kasten hat zwar nur wenig mit Geschmack zu tun, ist meiner Meinung nach aber eine sehr gute Idee, um Raucher zu motivieren, ihre Zigaretten nicht auf die Straße zu werfen. Auf dem Kasten steht „Wie viele Tonnen Abfall wird jeden Tag in den Straßen Oslos weggeworfen?“, „eine halbe Tonne“ (linke Seite), „zwei Tonnen“ (rechte Seite).

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Auf der Hütte

Der August fing so an, wie der Juli aufgehört hat: mit Urlaub. Ganz ohne langwierige Anfahrt aus Deutschland mit Fährfahrt und Nachtfahrten war der Start in den Urlaub so entspannend, dass ich erst einmal eine Erkältung auskurieren musste. Danach wurde es aber ein Urlaub nach meinem Geschmack: Wandern, Ruhe, Sonne. So sehr wie in diesem Urlaub haben wir noch nie geschwitzt. Selbst in den Höhenlagen waren selten unter 20 Grad und die Regenklamotten haben wir - mit nur einer Ausnahme - umsonst mitgeschleppt. Stattdessen kamen die Badesachen des Öfteren zum Einsatz. Eine weitere Neuerung im Urlaub bestand in einer zweitägigen Hüttentour. Und dies direkt auf eine sehr beliebten Hütte im Jotunheimen Nationalpark. Die sicherlich kürzeste Wanderung mit einer Dreiviertelstunde Laufzeit haben wir zur Per Gynt Hütte gemacht, wo wir uns mit Waffeln mit saurer Sahne und Erdbeermarmelade sowie Kakao belohnt haben. Zum Vergleich: Die Wanderung zur Hütte im Jotunheimen Nationalpark hat 11 Stunden (reine Laufzeit) gedauert, und wir mussten uns zum Schluss sehr beeilen noch rechtzeitig zum zweiten Abendessen anzukommen.

Ich habe bereits die Skihütte und die Ferienhütte an anderer Stelle im Blog erwähnt. Bei den oben genannten Hütten handelt es sich um eine weitere Spezies: die Wanderhütte. Es gibt sie in den Varianten einfach, proviantiert und bewirtschaftet. Bei einer einfachen Hütte findet man mindestens ein Dach über dem Kopf und ein Bett vor. Falls Strom vorhanden ist, ist diese Hütte meist auch mit einer Küchenzeile ausgestattet. Wie der Name schon sagt, hat eine proviantierte Hütte zusätzlich etwas zu Essen auf Vorrat – falls die Vorgänger nicht alles weggegessen haben. Die bewirtschaftete Hütte gleicht einer Almhütte in den Alpen. Es gibt mehrere Zimmer, Hüttenpersonal, Duschen, Frühstücksbuffet und Drei-Gänge-Menü. Die bewirtschafteten Hütten können zum Teil bis zu 100 Gäste aufnehmen, während manche kleine Hütten nur Platz für Zwei haben. Ganz Norwegen ist durchzogen von Hütten, die im Sommer als Wanderhütte und im Winter als Skihütte benutzt werden. Letztendlich ziehen wir aber unsere eigene grüne „Hütte“ vor.

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God sommer!

Ganz auf die norwegische Art gibt es im Juli (fast) nur ein

SOMMERSTENGT

von mir, und ich schliesse mich den guten Wünschen dieser Fähre in Oslo an:

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Faultier

Diesen Monat war ich in vielerlei Hinsicht und auch bezüglich des Blog-Schreibens ein Faultier. Mit einer Hitzewelle ist das hier in Oslo nicht zu entschuldigen. Der Juni war einer der Nassesten überhaupt, was sich auf Wanderungen durch überflutete Wanderwege bemerkbar gemacht hat. Auch die Temperaturen lagen im angenehmen Bereich um 20 Grad. Stattdessen wurden stressigere Wochentage mit abendlicher Erholung am Fjord, beim Sport oder beim Fußballschauen durch aktive Wochenende im Freien oder Reisen abgelöst. Daher lasse ich diesesmal hauptsächlich Bilder sprechen. Doch Vorsicht: Ein Bild aus Deutschland hat sich hineingeschummelt – welches ist es?

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„Ja, vi elsker dette landet…

… wie es aufsteigt, zerfurcht und wettergegerbt aus dem Wasser, mit den tausend Heimen. Lieben, lieben es und denken an unseren Vater und Mutter und die Saganacht, die hinsenkt Träume auf unsere Erde.“ So lautet die erste Strophe der norwegischen Nationalhymne. Diese wurde natürlich wiederholt am 17. Mai (Nationalfeiertag, siehe „Tourist in der eigenen Stadt“) gesungen. An diesem Tag hat man als Einwohner Norwegens zwei Möglichkeiten: Entweder flüchtet man zur Hütte im Wald und entkommt dem Trubel, oder man feiert mit. Wie schon letztes Jahr fiel unsere Entscheidung nicht allein wegen fehlender Hütte auf Letzteres. Im Kreise von mehr als ein Dutzend netten norwegischen und nicht-norwegischen Mitmenschen haben wir einen sonnigen Tag mit Sektfrühstück, Singen der norwegischen Nationalhymne, Erhaschen einiger Blicke auf den 17. Mai-Zug und die Königsfamilie (auf dem Balkon), Restaurantbesuch und „nachspiel“ verbracht. Als „nachspiel“ bezeichnet man in Norwegen allgemein das gemütlich Beisammensitzen und restliche-Flaschen-Leeren nach dem Feiern. Analog ist das norwegische „vorspiel“ das, was man in Deutschland wohl „vorglühen“ nennen würde – oder in meiner Studentenzeit zumindest genannt hat; vielleicht hat die heutige Jugend ein anderes Wort dafür?!

„vorspiel“ und „nachspiel“ sind zwei Beispiele dafür, wie das Norwegische mit deutschen Wörtern gespickt ist, aber die Ähnlichkeit gegebenenfalls zu falschen Rückschlüssen führen kann. Oder was würde der gemeine Blogleser denken und antworten, wenn er gefragt wird, ob er beim Nachspiel dabei ist?! Ein „øl” (Aussprache: Öl) ist auch nicht das Öl, sondern das Bier. „Gjeld” ist leider nicht das Geld, das man besitzt, sondern bezeichnet ganz im Gegenteil die Schulden. Und das „kinn“ ist im Norwegischenetwas verrutscht und bezeichnet die Wange. Für ganz wissbegierige Leser: Öl ist „olje”, Geld ist „kontant” und Kinn ist „hake”.

Über viele dieser und andere Wörter stolpere ich mehr oder weniger beiläufig in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Auch ohne weiteren Sprachkurs – mein Zweiter und vorerst Letzter war Ende letzten Jahres – versuche ich, so viel Norwegisch wie möglich nebenher einzusaugen. Am 17. Mai beispielsweise habe ich spielerisch die vier Kartenfarben Herz („hjerte”), Pik („spar”), Karo („ruter”) und Kreuz („kløver”) gelernt – und die Deutschen direkt mit, da Pik für mich langezeit nur das ”Herz mit dem Stiel dran” war. Freizeitgespräche beim Mittagessen auf der Arbeit verlaufen – sofern nur skandinavische Kollegen am Tisch sitzen – auf Norwegisch. Für die Mühe meiner Kollegen bin ich sehr dankbar. Sicherlich ist es nicht immer einfach und spaßig mit einem Ausländer zu reden. Übrigens, noch ein „falscher Freund”: „middag” ist hier das (warme) Abendessen, während die Mahlzeit mittags „lunsj” heißt. Auf spontane Gespräche mit Nachbarn oder Fremden auf der Straße kann ich meistens auch eingehen; sei es, ob es ums Blumengießen, den nächsten Supermarkt, den freilaufenden Hund oder das Wetter geht. So ungesprächig wie ich dachte sind die Norweger nämlich gar nicht. Bücher von skandinavischen Verfasser – momentan lese ich Knausgaard, auch Jostein Gaarder, Selma Lagerlöf und Astrid Lindgren liegen im Bücherregal, siehe Bild im Blog „Schneegestöber” – lese ich zugegebenermaßen jedoch mittlerweile ohne Anspruch auf aktives Lernen. Das heißt, ich lese über gegebenfalls nicht bekannte Vokabeln hinweg und schlage sie nur nach, wenn mir ansonsten die Bedeutung eines Satzes verschlossen bleibt. Die für mich in Frage kommenden norwegischen Serien habe ich nun bald durch. Auch diese steigern sicherlich meinen passiven Wortschatz und das Verständnis für Dialekte, tragen aber weniger zu meinem aktiven Sprachgebrauch bei. Bei Vokabelnlernen aus dem Norwegisch-Lehrbuch hänge ich immer noch auf dem Niveau A2 fest. Ganz zu schweigen von meiner sicherlich grottenschlechten Aussprache. Trotzdem reicht es immer wieder ganze Gespräche zu führen. Ich glaube, Norweger sind aufgrund der für meine Ohren äußerst verschieden klingenden Dialekte im Land, der zwei offiziellen Sprachen „Nynorsk” und „Bokmål” und der vielen skandinavischen und nicht-skandinavischen Ausländer sehr geschult darin, verschiedene Arten der Aussprache zu interpretieren und verstehen. So zumindest meine Theorie. Selbst Telefonanrufen gehen nicht immer komplett schief. Als es Anfang Mai an der Zeit war, unseren Balkon zu bepflanzen und wir daher ein Gartencenter aufsuchten, waren sämtliche Erdbeerpflanzen bereits ausverkauft. Ohne Erdbeerpflanzen nach Hause zurückzukehren war keine Option für mich, und so rief ich in einem anderen Gartencenter an. Es wurde mir – vermeindlich – mitgeteilt, dass noch drei Erdbeerpflanzen verfügbar wären. Eigentlich wollte ich mindestens 8 Erdbeerpflanzen kaufen, aber drei sind besser als keine. Also ließ ich die Drei zurückstellen. Als ich diese vor Ort abholte, stellte sich heraus, dass eine ”Erdbeerpflanze” aus einem Korb mit acht Pflanzen besteht. Somit standen aufgrund dieses Missverständnisses 24 Erdbeerpflanzen für mich bereit. Zwei Körbe habe ich mitgenommen, über einen freute sich hoffentlich ein anderer Kunde. In diesem Fall hat die Freude über viele Erdbeerpflanzen überwogen, und ich konnte den ”Misserfolg” gut wegstecken. Doch ab und zu gibt es auch frustrierende Spracherlebnisse, die im besten Fall zu einer Trotzreaktion und Vokabellernen führen, im schlechtesten Fall ein paar Minuten schlechte Laune zur Folge haben. Besonders in Momenten unter Stress und Müdigkeit merke ich sehr deutlich, dass ich das Norwegische noch nicht verinnerlicht habe. Auch spontane, witzige Reaktionen sind eher Magelware. Doch ich möchte den Blogeintrag nicht mit diesen Sätzen schliessen. Daher schiebe ich noch folgende drei positive Wahrnehmungen hinterher: 1. Mittlerweile wechselt niemand mehr auf Englisch, wenn ich das Gespräch auf Norwegisch beginne; selbst dann nicht, wenn ich etwas nicht verstehe und nachfragen muss. 2. Neben Erdbeeren wachsen auf unserem Balkon auf Radieschen, Petersilie, Basilikum, wilde Stiefmütterchen, eine Blumenmischung, Salat und Sonnenblumen. Und so schnell tauchen neue Vokabeln zum Lernen auf. Der Vigelandpark sieht mit den bunten Tulpen zugegebenermaßen noch ein klein wenig besser aus als unser Balkon. Aber dafür schmeckt die Ernte bei uns besser. 3. Viel schlimmer als das Deutsch auf einem Schild im Toilettenraum eines Restaurants auf Madeira können meine norwegischen Formulierungen wohl kaum sein.

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