Ut i marka

Seit meinem letzten Blogeintrag sind die Tage nur so verflogen, und ich hätte jede Menge von der Wohnungssuche, der Umzugsorganisation, dem Kisten einpacken, der Umzugsfahrt als solches, dem Kisten auspacken, den Vor- und Nachteilen der neuen Wohnung, der Registrierungsbürokratie usw. zu schreiben. Doch stattdessen widme ich mich in diesem Blogeintrag zunächst etwas Schönerem: Unserem ersten Wochenend-Ausflug in das endlos erscheinende Waldgebiet nördlich von Oslo. Erfreulich ist hierbei zum einen, dass mein Mann zusammen mit allen Umzugsgütern nun auch nach Oslo gezogen ist, und zum anderen, dass wir unseren Wochenendausflug bei Sonnenschein und 20 Grad genießen konnten.

Nach einem relativ kurzen Arbeitstag am Freitag packen wir unsere beiden Backpacker-Rucksäcke mit Zelt, Isomatten, Schlafsäcken, Essen und Trinken und fuhren zum Sognsvann, um unsere Tour zu starten. Schon nach wenigen Metern konnten wir von der großen „Autobahn“ – d.h. Schotterstraße – in einen kleinen Pfad einbiegen. Durch Fichtenwald und Sümpfe, über moosbedeckte Felsen und Heidekraut, bergauf und bergab liefen wir solange uns unsere Füße trugen. Unser Übernachtungsquartier windgeschützt im Heidekraut aufzuschlagen war vielleicht nicht die schlaueste Idee, quälten uns doch die Mücken dort sehr. Wenn wir eine große Mücke, wie sie in Deutschland vorkommen, gesehen haben, haben wir uns fast gefreut. Diese sind sichtbare und zählbare Gegner, die man ohne Weiteres mit der flachen Hand erschlagen kann. Gegen die winzig kleinen und nicht-abzählbar vielen skandinavischen Artgenossen hingegen half nur eins: die Flucht ins Zelt. Ausgeruht und munter ging es am nächsten Morgen nach einem zügigen Abbau des Zeltes – denn die Mücken sind über Nacht nicht verschwunden – weiter. Andere Wanderer bekamen wir bis dahin kaum zu Gesicht. Stattdessen leisteten uns der ein oder andere Schmetterling, ein paar Mücken, hüpfende Vögel und ein Dachs Gesellschaft. Wir bestiegen zwei über 500m hohe Berge, um die Aussicht in die endlosen Wälder zu genießen, und nahmen am Nachmittag unseren Kurs zurück Richtung Oslo. Unser Übernachtungsquartier schlugen wir diesmal sehr früh am Abend auf, denn um 20 Uhr wurde das Fußballgruppenspiel Deutschland gegen Schweden angepfiffen. Schon auf unserer Wanderung waren wir davon überzeugt, dass die Zeichen gut für die deutsche Mannschaft stehen und dass das Glück auf der Seite der deutschen Mannschaft sein würde. Schließlich haben wir nicht nur einen Fliegenpilz sondern sogar einen Deutschlandpilz als Glücksbringer gefunden:

Um das Spiel zu sehen, opferte ich mein gesamtes restliches Datenvolumen auf dem Handy, doch Fußballfans und zeitungslesende Leser wissen, dass es sich bis zur letzten Sekunde gelohnt hat.

Wir zelteten auf einer Wiese nahe am Waldrand und nahe einer Ansammlung von kleinen, frischen Birkenbäumchen. Nach einiger Zeit wollten uns auch die dort ansässigen Mücken fressen, so dass wir uns die Zähne im Zelt putzen. Währenddessen hörten wir draußen jemanden – oder etwas? – vorbeilaufen. Wanderer sind bis dahin auf der gesamten großen Wiese nicht zu sehen gewesen, aber vielleicht hat sich ja jemand verirrt. Doch wieso sollte der Wanderer Blumen pflücken? Oder Gras abreißen? Ist es vielleicht doch ein Tier? Ein Elch? Hahaha. Was sollte der denn hier? Aber vielleicht ein großer Vogel? Dann war der Spuk auch schon vorbei und es war wieder leise vor dem Zelt. Also kroch ich ohne mir weiter Gedanken zu machen aus dem Zelt, stehe auf, drehe mich um… und sehe 20 Meter von mir entfernt ein Elchhinterteil. Meine spitzen Schreie „Ein Elch, ein Elch“ veranlassten ihn, etwas schneller zum nächstgelegenen Baum am Waldrand, der ungefähr 50 Meter entfernt lag, zu laufen und dort hervorzugucken, welche komischen Wesen denn in einem so kleinen Haus wohnen. Mein Mann schaffte es noch ein Foto zu machen bevor der Elch ganz langsam und majestätisch im Wald verschwand:

Ich war danach doch etwas aufgeregt und besorgt, so dass ich die allerletzten Tropfen Datenvolumen aus meinem Handy herausquetschte, um zu erfahren, wann und warum Elche gefährlich werden können und was im Fall eines Zusammentreffens zu tun ist. Im Schwedisch-Kurs der VHS hatten wir nämlich bisher lediglich richtiges Verhalten bei einem Zusammentreffen mit einem Wolf und einem Bären gelernt. Den Elch hatten wir nicht auf der Rechnung. Für alle, die für die Wildnis gewappnet sein möchten, kommt hier eine Zusammenfassung meines angehäuften Wissens:

  • Elch: Grundsätzlich sind Elche gutmütige Tiere und werden aber – wie alle wilden Tiere – aggressiv, wenn sie sich bedroht oder angegriffen fühlen. Dies kann insbesondere in der Brunftzeit und bei einer Elchkuh mit Kalb häufiger vorkommen. Normalerweise entfernen sich Elche, wenn sie Menschen wittern. Hierbei rennen sie nicht etwa weg, sondern entfernen sich bedächtig. Das kann ich aus eigener Erfahrung nun bestätigen. Sollte ein Elch sich nicht entfernen, sondern gar auf einen zukommen, sollte man ihn immer im Auge behalten und sich möglichst hinter einen Baum oder Stein begeben, so dass man aus dem Sichtfeld des Elches verschwindet. Gefahr geht übrigens auch von betrunkenen Elchen aus. Denn über von verdorrten Äpfeln betrunkenen Elchen haben wir im Schwedisch-Kurs einen Zeitungsartikel gelesen.
  • Bär: Auch hier gilt, dass Wegrennen die schlechteste Option ist, da der Bär immer schneller sein wird. Auch Bäume hochklettern ist ebenso keine lebensbejahende Option. Stattdessen sollte man vorsichtig rückwärts gehen, den Bären nicht aus den Augen lassen und wenn er einem folgt, sollte man einen Striptease hinlegen. Vielleicht schlägt der Versuch allein den Bären schon in die Flucht, und falls nicht, so kann man dann die Sachen hinter sich legen. Die Theorie besagt, dass der Bär diese zunächst genausten untersuchen wird und man selbst somit Zeit und Abstand gewinnen kann. Wenn der Bär angreifen sollte, hilft wehren nicht. Stattdessen sollte man sich auf den Boden legen, den Kopf mit den Armen schützen und hoffen, dass der Bär Gnade walten lässt.
  • Wolf: Im besten Fall lassen sich Wölfe schon durch laute Geräusche, in die Hände klatschen und lautes Lachen vertreiben. Sollte dies nicht gelingen, ist die Flucht auf einen Baum sicherlich nicht verkehrt. Das sollte man aber nur tun, wenn man sicher ist, dass Hilfe naht bzw. man nicht in einem Funkloch sitzt, denn Wölfe können sehr geduldig sein. Sollte ein Wolf angreifen, bleibt nur, sich so gut es geht zu wehren. Gezielte Schläge auf Nase und Augen - wenn möglich mit einem Stock – könnten einen einzelnen Wolf zum Flüchten veranlassen. Was man bei einem Wolfsrudel tun sollte, blieb in dem Schwedisch-Kurs leider unbeantwortet.

So weit musst es an besagtem Abend glücklicherweise nicht kommen. Wir ließen den Elch in Ruhe und er uns, so dass wir in Ruhe und Frieden den Abend und die Nacht nebeneinander existierten.

Anbei ein paar visuelle Eindrücke unserer ersten Wochenend-Wanderung, der sicherlich noch Weitere folgen werden:

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