Schneegestöber

Anfang Januar verschaffte uns ein Spaziergang auf Fornebu - eine Halbinsel, auf der bis 1998 der Osloer Flughafen lag, und die seitdem teilweise renaturiert und teilweise als Industriegebiet genutzt wird - die nötige Frischluft.

Oder doch nicht? Der Abend- oder in diesem Fall eher „Nachmittags-“ Himmel ist von einer dunklen Wolke durchzogen. Brennt es in der Innenstadt von Oslo? Kurze Zeit später verkündet eine Schiffshupe den Grund für die Luftverschmutzung. Und tatsächlich, nach wenigen Minuten kommt ein großes Kreuzfahrtschiff zum Vorschein. Während Tiere (Elche, Wale) grundsätzlich grün gekennzeichnet werden, habe ich mich zur Kennzeichnung von Kreuzfahrtschiffen für rot entschieden. Dies ist auch ein sehr plakatives und einfaches Beispiel für die im Beitrag „November-Blues“ erwähnte Phase 2. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte ich vor einem Jahr noch nicht über das Schiff nachgedacht oder es gar mit Applaus bedacht. Jetzt denke ich bei jedem Hupen, das üblicherweise durch ganz Oslo und bis zu unserer Wohnung schallt, an die dunkle Wolke.

Spaziergänge werden wir in den nächsten Woche wohl nicht mehr so häufig machen, denn endlich hat das von mir lang herbei gesehnte Schneegestöber eingesetzt, und es herrschen perfekte Schneebedingungen zum Langlaufen. Mindestens einmal in der Woche fällt nennenswerter Neuschnee. Das veranlasste mich dazu, an einem sonnigen Januartag frei zu nehmen und auf sehr ausgedehnte Langlauftour zu gehen: von Sonnenaufgang um 10 Uhr bis Sonnenuntergang um 16 Uhr. Zwischendurch darf eine norwegische Stärkung mit Kakao und Waffel natürlich nicht fehlen.

Um auch zukünftig einen Vorsprung gegenüber meinem Mann herausarbeiten zu können, habe ich einen Langlauf-Kurs für Anfänger besucht. Wenn man sich das Laufen selbst beibringt, läuft man tatsächlich eher auf den Skiern als dass man gleitet. Im Kurs haben wir drei verschiedene effiziente Fortbewegungsarten gelernt:

  • „Diagonalgang“: Den linken Fuß nach vorne gleiten lassen und dabei den rechten Arm nach vorne nehmen; dann den linken Fuß nach vorne gleiten lassen und dabei den rechten Arm nach vorne nehmen usw.; also am Besten gar nicht nachdenken und einfach laufen; je betonter und länger die Bewegung ist, desto mehr gleitet man.
  • „Dobbelttak med fraspark“: Wie „Diagonalgang“, nur wird zusätzlich der jeweils hintere Fuß und Ski leicht gehoben, um die Reibung zu verringern und noch ein bisschen weiter zu gleiten; Balance halten dabei nicht vergessen.
  • „Staking“: Die Beine bleiben parallel auf den Skiern; Fortbewegung lediglich durch parallele Arme und Beugebewegung; Bauchmuskeln sind hier von Vorteil, sonst bleibt man spätestens bei leichtem Anstieg auf der Strecke.

Derzeit hat jede Skitour mit bis zu -15 Grad (in Norwegisch: „15 kuldegrader“, wodurch ich auch das deutsche Wort „Kältegrad“ kennengelernt habe) und Wind etwas von einer Polarexpedition und sollte daher nicht zu lange ausgedehnt werden. Schließlich brauche ich zumindest alle Finger der linken Hand noch um meine neu erworbene ergonomisch geformte Computermaus zu nutzen. Und die Zehen schaden ja auch nicht, um sowohl auf Skiern als auch beim Fitnesskurs die Balance zu halten.

Unsere Sprachkenntnisse machen kleine, aber dauerhafte Fortschritte. Während wir vor einiger Zeit beispielsweise noch hochkonzentriert in den Supermarkt gegangen sind und den Kontakt mit dem Personal auf („Hei“) „Hei“, („Trenger du en pose?“) „Nei“, („Kvittering?“) „Ja, takk“ und („Ha det“) „Ha det“ beschränkt haben, ist es selbstverständlich geworden nach Produkten, Preisinformationen oder Hilfe an der Selbstbedienungskasse zu fragen. Und zwar, ohne vorher darüber nachzudenken, was man eigentlich fragen möchte. Die Methode, die uns durch den Englisch-Schulunterricht aber beim Sprache Lernen nicht weiter gebracht hat, findet in Alltagssituationen kaum noch Anwendung. Während wir im Sommer letzen Jahres noch sehr gut darin waren auch untereinander Norwegisch zu reden, hatte sich Ende letzten Jahres überwiegend Deutsch eingeschlichen. Doch nun scheinen sich einfache, alltägliche Vokabeln in unserem Gehirn verfestigt zu haben, so dass wir manchmal norwegische Sätze oder Wörter sagen, weil uns diese eher einfallen. Beispielsweise wollte ich meinem Mann neulich sagen, dass ich keinen Schlüssel mitnehme. Dieser einfache Satz rutschte ohne Überlegung auf Norwegisch heraus. Das motiviert, mit dem abendlichen Vokabeln Lernen weiterzumachen. Auch einige Kollegen unterstützen mich mit norwegischen Gesprächen über das Wetter, Skifahren und Wochenendaktivitäten. Das sind übrigens nach Priorität geordnet die Lieblings-Smalltalk-Themen der Norweger. Und oft lassen sich alle drei Themen prima kombinieren. Wie gut, dass ich auch gern über diese Themen rede.

Zu den vielen Büchern im Bücherregal gesellen sich nach und nach immer mehr norwegische Bücher. Hierbei liegt unser Fokus vor allem auf Bücher norwegischer Autoren. So umgeht man die vielleicht leichte Verfälschung des Inhalts durch einen Übersetzer. Die Kinderbücher von Roald Dahl habe ich alle gelesen und mir sogar Vokabeln herausgeschrieben. Für die anderen Bücher brauche ich noch ein wenig Zeit - Frischluft und Sport hat derzeit Vorrang, und Beiträge für den Blog müssen ja auch noch geschrieben werden. Als Kür wartet dann die neueste philosophische Erzählung von Jostein Gaarder (der Autor von Sofies Welt).

Nicht an Büchern interessierten Lesern wird empfohlen trotzdem ein Blick aud das weiße Buch rechts außen im Bild zu werfen. Die Titelseite illustriert die - zugegebenermaßen klischeehafte - Mimik des Durchschnittnorwegers im fröhlichen, traurigen, wütenden und betrunkenen Zustand.

Und wer aus dem näheren Bekanntenkreis jetzt Fernweh bekommen hat, mal Langlauf ausprobieren will oder uns Vokabeln abfragen möchte, kann sich gern als Versuchskaninchen probieren und es sich auf unserer neuen 300 Kronen (= 30 Euro) -Gästecouch von einem großen schwedischen Möbelhaus - welches ich mir mal geschworen hatte nie wieder zu betreten - bequem machen. Hierbei war natürlich der Preis weniger ausschlaggebend als die Tatsache, dass es nicht breiter als 202cm sein durfte. Ein Schraubenschlüssel zum eventuellen Nachziehen der Schrauben nach Benutzung liegt bei. Für die Gäste nur das Beste.

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