Von Allem ein bisschen

Der Juli ist ein sonderbarer Monat in Norwegen. Ich frage mich, wie überhaupt auch nur irgendetwas in diesem Land im Juli funktionieren kann. Aber wenn niemand da ist, braucht ja auch nichts zu funktionieren. Im Juli sind Sommerferien. Und nicht nur für Schulkinder, sondern für alle Norweger. Dies ist der Monat in Norwegen, in dem die Wahrscheinlichkeit für Sommerurlaub im eigenen Land am höchsten ist. So saß ich in den letzten vier Wochen mit teilweise nur einem Kollegen im Großraumbüro, in dem es sonst von Kollegen nur so wimmelt. Da dies ein allgemeines norwegisches Phänomen ist, ist auch der Weg zur Arbeit weniger überfüllt. Dem entgegen wirkt, dass die Bahngesellschaft diesen Monat aus gegebenem Anlass für Gleisarbeiten auserkoren hat.

Ich fahre seit Anfang Juli ausschließlich mit dem Fahrrad zur Arbeit, zum Sport und zum Norwegisch-Sprachkurs. Bei sommerlichem, warmem, regenfreiem Wetter im Juli macht das Spaß. Weniger spaßig ist, dass die Straßen in der Stadt nur halbherzig für Fahrradfahrer ausgestattet sind. An vielen Straßen gibt es zwar breite rote Fahrradstreifen, doch wenn dieser Streifen die Hälfte der rechten Spur für Autos "wegnehmen" und an Bushaltestellen oder Ampelkreuzungen einfach verschwinden, helfen sie auch nur bedingt. Ein Großteil meines Weges zur Arbeit besteht aus einer reinen Fahrradstraße am Fjord entlang. Hier gibt es nur an wenigen Kreuzungen Autos - und trotzdem ist auch hier das Fahrradfahren etwas nervenaufreibend für mich. Ich gehöre beim Fahrradfahren zur Arbeit zu der selten Spezies der „Normal-Klamotten“. Auch habe ich nur ein normales 08/15-Trekkingrad. Die Spezies des gemeinen Norweger hingegen hat ein super(teures) Rennrad (von Specialized oder Cannondale) mit passendem Trikot, Schuhe usw. Dementsprechend entfachen sich auf dieser Strecke regelrechte Rennen. Daher wird diese Route von Einheimischen auch "Tour de Bank" genannt.

Wer bis hierhin aufmerksam gelesen hat, dem sind zwei Worte ins Auge gestochen, die ich noch näher erläutern möchte: Norwegisch-Sprachkurs und Sommerurlaub.

Ja, seit Anfang Juli besuchen mein Mann und ich einen Norwegisch-Kurs. Die Auswahl des Kurses hat uns einige Zeit und Überlegungen gekostet. Kostenlose Tests im Internet (einige dauerten Stunden) gaben uns ein doch sehr gespaltenes Bild über unsere Kenntnisse. Unser passives Wissen (Lesen und Hören) war durchaus für weiterführende Kurse geeignet, während das aktive Wissen (Grammatik, Schreiben, Sprechen) beurteilt durch unsere Selbsteinschätzung zu wünschen übrig ließ. Mehrere Einwanderer, die schon einige dieser Kurse mitgemacht haben, sagen uns, dass wir nicht zu gering einsteigen sollten, da die Internationalität der Teilnehmer dazu führt, dass im Anfängerkurs (A1) auch beispielsweise das norwegische Alphabet gelernt werden müsse. Als Europäer hat man mehr Vorwissen als beispielsweise jemand, der aus China oder Russland kommt. Auch aus taktisch-ökonomischen Gründen - es gibt je Stufe A, B und C ein anderes Lehrbuch - wählten wir letztendliche eine Kurs der Stufe B1. Neben der Entscheidung, welche Stufe des Kurses wir wählen, mussten wir auch verschiedenste Sprachschulen vergleichen. Letztendlich haben wir uns für die Folkeuniversitet entschieden. Das Konzept ist ähnlich zu dem der VHS in Deutschland. In einer Gruppe von 10 Teilnehmern aus aller Welt (z.B. England, Nepal, Weißrussland, Pakistan, Äthiopien, Griechenland) sprechen wir ausschließlich Norwegisch. Der Wir lesen Texte, lernen Vokabeln, machen Grammatikübungen, bekommen als Hausaufgabe Texte zu verfassen und sprechen miteinander. Der Kurs ist intensiv und zeitaufwendig; er findet zweimal wöchentlich für jeweils drei Stunden statt. Zusätzlich gibt es Hausaufgaben. Allerdings hätten wir den Zeitpunkt für eine solche Aktivität neben der Arbeit kaum besser wählen können: wie schon angeklungen, ist es sehr ruhig und absolut nicht stressig auf der Arbeit.

Trotz oder gerade wegen der freien Zeit meines Mannes werden wir demnächst Urlaub machen. Wir ergriffen die Chance, dass wir noch nie so nah an den Lofoten waren. Jetzt hoffen wir auf einigermaßen stabiles Wetter. Denn entgegen unserer bisherigen Norwegenurlaube sind wir nicht mehr in Besitz eines Autos und müssen uns zu Fuß mit unseren Rucksäcken und hoffentlich mit einigen Busverbindungen auf den Lofoten durchschlagen. Ein detaillierter Urlaubsbericht und Fotos werden folgen.

Auch den Leser, der bei norwegischem Wetter an grauen Himmel und Regen denkt, muss ich nicht enttäuschen. In den letzten Tagen kam es durchaus mehrmals vor, dass wir auf dem Fahrrad vom Regen überrascht wurden und zumindest äußerlich wie begossene Pudel nach Hause kamen. Fotos gibt es trotzdem bisher nur von schönem Wetter.


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