Reisefrust
Der fleißige Leser wird bemerkt haben, dass im Dezember erstmalig seit Beginn des Blogs kein monatlich neuer Eintrag vorhanden war. Noch nicht einmal für einen kurzen Weihnachtsgruß hat es gereicht. Grund dafür waren äußerst aufwendige Reisevorbereitungen. Normalerweise sollte eine Reise ins Geburtsland nicht aufwendig sein: man kennt sich aus, man kann die Sprache, man versteht die Kultur usw. Doch was war in im letzten Jahr schon normal? Folglich musste unsere Weihnachtsreise gut geplant werden, soweit sie sich den planen ließ. Die gesamte Reise war mit Unsicherheit bis zur letzten Minute – also bis wir unsere Wohnung in Oslo am 2. Januar wieder betraten – belastet. Doch der Reihe nach:
Bereits im Herbst hatten wir, um möglichst unabhängig zu sein, ein Auto bei einem großen europaweiten Autoverleih gebucht. Im Gegensatz zu vielen anderen Autovermietern war es hier möglich ohne Verdopplung des Preises ins nicht-skandinavische Ausland – sprich Deutschland – zu fahren. Aufgrund der undurchsichtigen Corona-Situation vor Weihnachten ließen wir uns noch einmal per Email bestätigen, dass dies weiterhin gilt und es, solange wir das Auto innerhalb der vereinbaren Mietdauer wiederbringen, keine Probleme gibt. Problematischer erschien mir ein Corona-PCR-Testergebnis zu bekommen, das bei Einreise in das Land Brandenburg nicht älter als 48 Stunden ist. Bei 15 Stunden Fahrzeit über den Land- und Brückenweg ist das Reisefenster sehr eng gesteckt. Die unverbindlichen Zeitangaben der privaten Kliniken zu der Auswertungsdauer eines Tests (zwischen 1-3 Tagen) machten es nicht besser. Nach mehreren Telefonaten mit einer Privatklinik buchten wir für Donnerstagmittag einen „Drop-In Termin mit dem Fahrrad“. Etwas enttäuschend war, dass man nicht mit dem Fahrrad in die Garage fahren und darauf sitzenbleiben konnte, sondern wie ein „Drop-In Fußgänger“ behandelt wurde. Spaß beiseite, der Termin hat gut geklappt. Spannender war das Warten auf (das Ergebnis am) Freitag, da wir in der Nacht zu Samstag losfahren wollten. Zumindest hatten wir uns mit diesen Daten beim Gesundheitsamt in Deutschland vorschriftsgemäß angemeldet. Um fünf Uhr nachmittags war ich überzeugt, dass das Testergebnis nicht vor Montag bereitsteht. Warum sollte Freitagabends noch gearbeitet werden? Den Versuch eines Anrufs bei der Privatklinik ließ ich mir trotzdem nicht nehmen. Entgegen meiner Erwartung hob jemand am anderen Ende der Leitung ab und ließ mich wissen, dass freitags bis um 9 Uhr und sogar am Wochenende an der Auswertung der Tests gearbeitet werden würde. Und tatsächlich bekamen wir unser (natürlich negatives,d.h. für uns positives) Ergebnis drei Stunden später.
In der Zwischenzeit gab es genügend Ablenkung: Beim Abholen wollte der Autovermieter uns das Auto nicht zu den vereinbarten Bedingungen geben mit der Begründung, dass das Auto sieben Tage in Quarantäne müsse nachdem wir es abstellen („da kann ja dann niemand rein“) und dass wir die Corona-Regeln brechen würden, wenn wir das Auto abstellen und nach Hause laufen anstatt uns direkt in unsere Wohnung zu begeben („das Auto müsste dann schon ein anderer in die Garage stellen und den Schlüssel in den Briefkasten werfen“). Man stelle sich unsere Gesichter vor. Nach einigem Hin und Her bekamen wir die Schlüssel ausgehändigt unter der Bedingung, dass wir vier von den sieben Tagen „Autoquarantäne“ zusätzlich bezahlen. Die anderen drei Tage würde der Autoverleih aus Kulanz selbst übernehmen. Ich habe dies direkt zum Anlass genommen mich auf Mittagspausenspaziergänge zur öffentlich zugänglichen Garage des Autoverleihs zu freuen, um zu prüfen, ob das Auto nicht angerührt wurde. Doch daraus wurde nichts. Zwei Stunden später erhielt ich die Nachricht, dass die Geschäftsführung des Autoverleihs entschieden hat, dass wir das Auto wie im Herbst gebucht abgeben und bezahlen dürfen. Na dann, frohe Weihnachten!
Ab diesem Punkt lief unsere Reise nach Deutschland erstaunlich geschmeidig: keine Grenzkontrollen, kein Vorweisen des negativen Testergebnisses, kein Stau und endlich Vorfreude auf Weihnachten. Doch eine Reise ist erst beendet, wenn der Reisende wieder Zuhause ist, oder? Leider musste wegen der Nachrichten über das mutierte Virus unsere Rückreise sehr flexibel gestalten werden. Die bisher so lockeren Schweden hatten nämlich von einem auf den anderen Tag die Grenze zu Dänemark geschlossen. Damit blieben uns als Rückreiseoptionen noch Deutschland-Dänemark-Fähre-Norwegen oder Deutschland-Fähre-Schweden-Norwegen. Und natürlich Deutschland-Polen-Litauen-Lettland-Estland-Russland-Finnland-Norwegen. Letzteres kam mit seinen 5287 km, 64 Tagen Fahrzeit und Visa-Anforderungen für Russland nur bedingt in Frage. Wir entschieden uns für die Fähre von Deutschland nach Schweden und saßen über – noch nicht ganz auf – heißen Kohlen. Glücklicherweise wurden in der Zeit keine weiteren Grenzschließungen beschlossen. Da uns der Corona-Test so viel Spaß gemacht hatte, durften wir bei der Einreise nach Norwegen nochmal das Stäbchen in Hals und Nase gesteckt bekommen. Wir reisten 10 Stunden nachdem diese neue Corona-Regel der norwegischen Regierung in Kraft trat ein. Auf die paar Stunden Warten an der Grenze, um sich dann doch selbst um einen Testtermin in Oslo kümmern zu müssen, kam es da schon lange nicht mehr an.
Ob Goethe dieser Reisebericht wohl gefallen hätte?! Trotz allem hat sich die Reise natürlich gelohnt; insbesondere, wenn man die aktuellen Entwicklungen in Betracht zieht. Ich bin gespannt, wann unsere nächste (Auslands-)Reise stattfinden und ob diese wieder mehr dem eigentlichen Sinn von Goethes Aussage entsprechen wird.
Wer noch Zeit und Muße hat, dem möchte ich nun gern von unserer kleinen Inlands-Reise am Wochenende berichten. Derzeit kursiert die Frage „Welches Quarantierchen bist du?“ im Internet. Ich erkenne mich am ehesten in einer Mischung aus Lesel, Entspanda, Kochtopus und Gympanse wieder, hoffe aber, auch bald eine Skiraffe werden zu können. Da eisige und überfüllte Loipen nicht das präferierte Gebiet einer Enspanda-Skiraffe ist,wurde ein Tagesausflug 50 km nördlich von Oslo geplant. Die Erfahrungen mit dem großen Autoverleih, der Gedanke an die Umwelt und die kurze Strecke ließen mich einen E-Golf buchen. Wie sich zeigen sollte, war das ein Fehler und aus der Entspanda-Skiraffe entwickelte sich ein Mammwut-Eishörnchen. Über dreckige Mietautos kann man in Trainingsklamotten und mit Skiern im Gepäck hinwegsehen. Selbst die Anzeigen „Wischwasser muss nachgefüllt werden“, „Schlüsselbatterie muss getauscht werden“ und „Service in 1000 km“ können für eine so kurze Strecke und unter so viel Vorfreude auf eine schönen Skitour ignoriert werden. Doch wenn das Auto beim Abholen am Morgen nur ganze 30 km weit kommt – bei einer Reichweite von 180-220 km laut Werksangaben –, lässt das die Laune sehr schnell sinken. Trotzdem, man möchte sich den Tag ja nicht direkt vermiesen lassen und fährt zur nächsten Ladestation. Normalerweise braucht ein Schnelllader 25 Minuten, um die komplette Autobatterie aufzuladen. Damit käme man locker hin und zurück, und da man extra früh aufgestanden ist, sollte man auch bei einem 25 Minuten späteren Skitour-Start noch genügend Sonne abbekommen. Das Auto gönnte uns die Sonne nicht: Nach 45 Minuten bei -15 Grad zeigte es eine Reichweite von 75 km an, wenn man ohne Radio, Heizung, Licht und maximal 70 km/h fährt. Das reicht ja zumindest für den Hinweg, der äußerst kalt wurde. Nach weiteren 35 km Fahrt stellte sich jedoch heraus, dass es keinen Schnelllader in der Nähe gab, sondern lediglich einen normalen Lader. Immerhin befindet sich dieser in der Nähe einer Loipe, auch wenn diese nicht frisch präpariert war. Somit änderten wir unsere Pläne und kamen verfroren an der Loipe an. Nach 1 km auf eisiger Loipe mit vielen Tannenzapfen und herausschauender Erde gaben wir, unsere Hände und Füße nicht mehr spürend, die Ski-Pläne für diesen Tag auf. Zurück am Auto die nächste Überraschung: Wir bekamen das Ladekabel nicht mehr los, da der Schlüssel zum öffnen des „Tankdeckels“ (oder wie man das bei E-Autos nennt) nicht mehr funktionierte. Der aufmerksame Leser erinnert sich an die ignorierte Anzeige. Immerhin reichte ein Anruf bei der Servicehotline, und das Auto war offen. Der Servicemitarbeiter fragte mich allen Ernstes, ob wir nicht schon gestern telefoniert hätten. Das Problem mit dem Auto war also schon bekannt! Er meinte, wir könnten unsere Tour wie geplant fortsetzen, müssten ihn nur anrufen, wenn wir das Auto aufgeschlossen haben wollen. Daraufhin habe ich ihm von unseren bisherigen Erlebnissen mit dem Auto erzählt. Wir haben aufgegeben und sind nach Oslo zurückgefahren. Diesmal konnten wir sogar die Heizung anmachen.
Warum wird einem das Auto-Sharing - im besten Fall mit einem E-Auto - so schwer gemacht?! Ein paar andere Autovermieter gibt es ja noch zum Ausprobieren. Denn ein eigenes Auto kann auch eine Last sein; natürlich mit Ausnahme von meinem alten gelben Flitzer, den ich 2015 in der Nachbarschaft verkauft habe. Der fährt und fährt und…
BLOGARCHIV: