Ruhe und Klang
Wie erging und ergeht es wohl denen, die Reisen, Shoppen, im Café sitzen oder ins Theater/ Kino/ Museum gehen als Hobby haben? Ich stelle mir vor, das ist für mich vergleichbar mit einer Absperrung aller Fjorde, Wälder und Seen: Nicht unmöglich zu überstehen, aber äußerst deprimierend. In meinen Freizeitaktivitäten war ich keineswegs eingeschränkt. Im Gegenteil, bei einem gemütlichen Stadtspaziergang an einem sonnigen, touristenfreien Tag hat sich Oslo von der besten Seite präsentiert. Für das erste „Draußen-Eis“ musste man sich nicht in keine lange Schlange einreihen. Nein, das wäre gelogen. Die Schlange war wegen der Abstandsregeln schon lang, aber zumindest nicht voll. Im Norwegischen gibt es den Begriff des ersten „Draußen-Biers“ („utepils“). Ich plädiere dafür einen entsprechenden Begriff für Eis einzuführen. Während Eis immer schmeckt, ist der riesige Plastikbaum in der Nähe von Aker Brygge durchaus Geschmacksache. Einerseits ist es faszinierend, wie „echt“ der Baum von weitem wirkt. Andererseits ist es ein einziger umweltverschmutzender Haufen Müll. Ich hatte gehofft, dass der Baum aus Plastikmüll, der zum Beispiel aus dem Fjord gefischt wurde, gebaut wurde. Meine Internetrecherchen deuten nicht darauf hin. Neben Plastik sind auch jede Menge LED-Lichter verbaut, so dass der Baum im Winter in bunten Farben erleuchtet. Zum Glück gibt es in der Umgebung auch noch "richtige" Pflanzen, die wir unter anderem bei einer Zelttour in voller Pracht fanden.
Außerdem konnte ich auch dem Glockenspiel am Osloer Rathaus ohne störende Nebengeräusche wie Autos oder schreienden Stadtführern lauschen; nur der Wind singt leise mit (zum Hören bitte auf „Klokkespill“ klicken):
Erkennt jemand das weltweit bekannte Lied? Der Gewinner bekommt meine Höchstachtung. Ich habe es nicht erkannt und im Internet nachschauen müssen. Für alle Unmusikalischen wie mich: Tipps sind im folgenden Abschnitt eingebaut.
Das aus roten Ziegelsteinen gebaute Osloer Rathaus gilt als Zeichen der Unabhängigkeit Norwegens 1905; living easy, living free. Doch der erste Grundstein wurde letztendlich erst 1931 nach dem achten eingereichten Architekturentwurf gelegt. Das war für die Architekten sicherlich die Hölle. Die offizielle Eröffnung fand 1950 statt. Damit schlägt das Rathaus (voraussichtlich) sogar den Berliner Flughafen, doch waren auch hier die Deutschen beteiligt. Der Zweite Weltkrieg kam und die Bauarbeiten wurden ausgebremst. Von wegen „nobody‘s gonna slow me down“. Das Rathaus hat eine Grundfläche von 4900 m² und eine Nutzfläche von 39700 m². Die Räume beherbergen das Stadtparlament und mehrere Festsäle. Allein die Rathaushalle ist 49x31 m groß. Aus der Rathaushalle heraus hat man einen schönen Blick auf den Fjord. Der Platz zwischen Rathaus und Fjord ist meist so überfüllt mit Touristen wie eine deutsche Autobahn zum Feierabendverkehr mit Autos. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen, ist der Ostturm mit 66m um 3m höher als der Westturm. Falsche Ausführung ist nicht der Grund, sondern, dass die Straße auf der westlichen Seite höher ist. Das Glockenspiel im Ostturm besteht aus 49 Glocken. Sie sind aus Bronze, einem Metall mit einem Kupferanteil von mindestens 60%. Die Größte wiegt 4 Tonnen, leicht heavy. Schräg über der eichenen Eingangstür hängt eine astronomische Uhr mit 5 Meter Durchmesser. Sie zeigt die Uhrzeit, Sternbilder und Mondphase an. Sowohl die Fassade als auch die Innenräume sind künstlerisch gestaltet, und stellen die Geschichte und Kultur Norwegens dar. Bei der Gestaltung sollte das Volk im Mittelpunkt stehen. So lässt sich selbst die Statue einer Prostituierten aus dem 19. Jahrhundert – gekleidet in Rock und Bluse, mit Hut – finden. Hintergrund ist, dass dort wo das Rathaus gebaut wurde zuvor Bordelle ansässig waren. Das Osloer Rathaus ist weltweit das einzige öffentliche Gebäude mit einer solchen Statue. Jedes Jahr am 10. Dezember, dem Todestag von Alfred Nobel, findet die Friedensnobelpreisverleihung im Rathaus statt.
Pünktlich zum guten Wetter haben wir unseren privaten Norwegischkurs bei einer großen Sprachschule, welcher in den letzten Wochen natürlich online stattgefunden hat, abgeschlossen. Der im Vergleich zu anderen Möglichkeiten ziemlich preisintensive Kurs hat unsere Erwartungen nicht erfüllen können. Von einer professionellen Sprachschule hätten wir eine wesentlich bessere Organisation erwartet. Lehrer, die nicht über Stunden mit uns informiert wurden und dementsprechend nichtoder viel zu spät auftauchten oder den Unterricht zu früh beendeten, ein Lehrbuch, das wir bestellen sollten, das dann aber doch nur selten genutzt wurde, unsere Wunschliste mit Themen, die wir zur ersten Stunden mitgebracht haben, deren Erfüllung nie besprochen wurde und an die wir immer wieder erinnern mussten sowie technische Probleme bei den Online-Stunden, obwohl diese auch schon vor Corona viele Teilnehmer genutzt hätten, hinterließen kein gutes Bild bei uns und konnten auch durch zwei Gratis-Stunden nicht wieder gut gemacht werden. Immerhin sind wir sicherlich im Norwegischen nicht schlechter geworden und gewappnet für den Sommerurlaub nur mit Norwegern (-;
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