Normalität
Um das Wort „Normalität“ kommt man dieser Tage kaum herum: „zurück zur Normalität“, „die neue Normalität“, „Sehnsucht nach Normalität“. Normalität bezeichnet etwas Selbstverständliches, das keine Erklärung oder Entscheidung mehr bedarf, und wird meist als etwas Positives wahrgenommen. Im Fall von Corona stimme ich zu, dass Normalität sehr wünschenswert ist. Woran jedoch niemand denkt, ist, dass Normalität das Schreiben von Blogeinträgen erschwert, und dass die nicht-normalen Umstände ihren Teil zur meiner Normalität beitragen. Mitten in einer unnormalen Zeit werden die Erlebnisse in Norwegen für mich umso normaler. Der letzte Deutschlandbesuch liegt knapp ein Jahr zurück. Wenn ich an Deutschland denke, denke ich an einige Wanderungen und Fahrradtouren. Und natürlich an die Familie. Doch alles andere, was mir noch vor einem Jahr so „normal“ in Deutschland vorkam, würde jetzt vermutlich Erstaunen auslösen. Ich werde davon berichte, wenn ich denn die Gelegenheit bekomme. Norwegen ist meine neue Normalität. Ungewohnte oder fehlende Produkte im Supermarkt gibt es nicht mehr, ob nun Deutsch, Norwegisch oder Englisch gesprochen wird, ist in den meisten Fällen gehüpft wie gesprungen - es kommt sowieso Kauderwelsch heraus -, und Wetter und Skifahren ist eine meiner Lieblingsgesprächsthemen geworden. Aus vergangenen Fehlern, wie zum Beispiel der Julebrus (siehe Blogeintrag „Schatten und Licht“ aus dem Dezember 2018) habe ich gelernt. Rotkohl, der nicht mit merkwürdigen Gewürzen veredelt ist, kann man wunderbar selbst kochen. Dafür findet man sogar eingefrorenes pures Schweinefett (die weiß-blaue Rolle). Zugegeben, die Klöße waren noch Importware aus Deutschland. Und die Nelken. Und das Lorbeerblatt
Mittlerweile habe ich meine ersten Erfahrungen mit dem norwegischen Gesundheitssystem gesammelt. Leider bin ich am Ende unseres Sommerurlaubes vom Rad gefallen. Neben einigen Kratzern und blauen Flecken wollte das Loch im Knie nicht aufhören zu bluten. Für solche akuten Fälle an einem Sonntag muss man zur „legevakt“. Die „legevakt“ ist offen, wenn Allgemeinmediziner geschlossen haben und befindet sich meist im gleichen Gebäude wie das Krankenhaus. Besonders schlimm kann es mit meinem Knie aber nicht gewesen sein, da ich mir – während mein Mann das Auto holte –den Bauch mit den um meine Unfallstelle herum wachsenden Blaubeeren vollschlug. Mir fiel noch rechtzeitig vor Betreten der „legevakt“ ein den blau-roten Mund zu säubern. Sonst wäre ich vielleicht noch schneller an die Reihe gekommen. So teilte ich der Anmeldestelle mein Problem und meine Personennummer mit und zog einen Zettel wie früher beim Fleischer, wenn der Vergleich auch etwas makaber scheint. Während man in Oslo die schlimmsten Wartezeiten befürchtet, ging es auf dem Land erstaunlich schnell. Nach nur fünf Minuten Warten wurde die Wunde von der Krankenschwester gesäubert und vom schwedisch sprechenden Arzt genäht. Danach musste ich nochmal ein paar Minuten warten bis der Bezahlautomat bereit war meine Geldkarte zu verschlingen. Aus Erzählungen und Kommentaren von Auswanderern in den sozialen Medien bereitete ich mich auf eine große Summe vor. Rund 17 Euro hat der Nicht-Spaß gekostet; davon machte der Faden ca. 50 Cent aus. Gern hätte ich etwas mehr für einen selbst auflösenden Faden bezahlt, um mir mein eigenes chirurgisches Geschick 10 Tage später zu ersparen. Die Vorsorgeuntersuchung beim Zahnarzt einige Wochen später kamen den Beschreibungen mit 120 Euro schon näher. Dafür kann der Zahnarzt den Stuhl mit einem Iphone-ähnlichen Gerät steuern und das Röntgenbild wird auf einem eigenen Bildschirm neben den Behandlungsstuhl angezeigt. Ja, hier werden bei der Vorsorgeuntersuchung Röntgenbilder gemacht, um Karius und Baktus zu finden. Bei mir ohne Erfolg, so dass die Freude über ein „du brauchst erst in anderthalb Jahren wiederkommen“ größer war als der Betrag, der von der Karten abgebucht wurde.
Nur an die Fußballberichtserstattung werde ich mich nie gewöhnen:
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